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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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zertrat.
    »Entschuldigung.«
    »Macht nichts.«
    Der Junge bewegte sich langsam. Er trug eine dicke Halskrause, auf seiner Stirn klebte ein Pflaster. Die Augen waren blutunterlaufen, als wäre er stundenlang in Chlorwasser geschwommen. Er war (wenn das denn möglich war) blasser als sonst. In der linken Hand hielt er einen Blumenstrauß. Er sah sich unentschlossen um, dann setzte er sich verlegen.
    »Müsstest du nicht eigentlich im Bett liegen?«, fragte Zorn und versuchte, die unangenehme Nässe im Schritt zu ignorieren. »Du hättest nicht herkommen müssen, ich wollte dich in einer halben Stunde besuchen.«
    »Ich möchte mich bei Ihnen bedanken.«
    Max sprach undeutlich, viel mehr als ein heiseres Nuscheln brachte er nicht heraus. Er hielt Zorn die Blumen entgegen. »Sie haben mir das Leben gerettet.«
    »Danke.«
    Peinlich berührt drehte Zorn den Strauß in den Händen, er wusste nicht, wann ihm zum letzten Mal Blumen geschenkt worden waren. Eine Vase hatte er jedenfalls nicht, weder zu Hause noch im Büro. Er machte sich nichts aus diesem Grünzeug, trotzdem spürte er, wie ein Kloß in seinem Hals aufstieg. Er legte den Strauß beiseite und räusperte sich. »Ich hab nur meinen Job gemacht.«
    »Ich weiß, Herr Zorn. Aber wenn Sie nicht gekommen wären, dann wäre ich jetzt tot.«
    »Woher hattest du eigentlich meine Nummer?«, lenkte Zorn ab, dem es jetzt eindeutig zu persönlich wurde.
    »Kommissar Schröder hat sie mir gegeben, falls ich ihn nicht erreichen sollte.«
    »Du hattest Glück, dass ich zufällig in der Nähe war.«
    »Ja«, nickte Max. »Das hatte ich.«
    Er saß kerzengerade auf dem Stuhl, immer wieder fuhr er sich mit den Handflächen über die Oberschenkel, als wären sie feucht und er müsse sie am Stoff seiner Hose trocknen. Sein Blick wanderte unruhig durchs Zimmer.
    »Hast du Schmerzen?«, fragte Zorn vorsichtig.
    »Es geht. Der Hals tut verdammt weh, der Nacken auch. Und ich hab überall blaue Flecke.«
    Zorn war nicht sicher, wie er weiter vorgehen sollte. Der Junge war völlig durcheinander, was weiß Gott nicht verwunderlich war.
    »Kannst du mir ein paar Fragen beantworten, Max?«
    »Ich glaube schon.«
    Zorn dachte nach. Die nasse Hose klebte am Hintern, er rutschte ein wenig nach vorn.
    »Giese ist vorerst nicht ansprechbar. Wir haben keine Ahnung, was er von dir wollte. Warum habt ihr euch auf dem Turm getroffen? Hat er dich hinbestellt?«
    »Ja. Er rief mich an und sagte, dass er etwas mit mir besprechen müsse.«
    »Was genau war das?«
    »Keine Ahnung, das hat er nicht gesagt.«
    »Aber warum auf dem Turm? Nachts, im Dunkeln? Habt ihr euch öfter dort getroffen?«
    Max schüttelte den Kopf.
    »Nein, vorher nie.«
    »Kam dir das nicht komisch vor?«
    »Irgendwie schon. Aber er war so aufgeregt und am Telefon wollte er mir nichts sagen. Er meinte nur, dass es etwas mit Björn und Udo zu tun hat.«
    »Mehr nicht?«
    »Nein.«
    »Und dann?«
    Max tastete über das Pflaster auf der Stirn. Seine Fingerknöchel waren mit blutigem Schorf bedeckt. Automatisch fasste sich auch Zorn an den Kopf. Da, wo ihn die Tastatur getroffen hatte, bildete sich langsam eine Beule.
    »Ich war vor ihm am Turm und hab gewartet«, fuhr Max leise fort. »Dann habe ich Angst bekommen und wollte Herrn Schröder anrufen, aber er ist nicht ans Telefon gegangen.«
    Wie auch?, dachte Zorn. Der feine Herr saß besoffen im Taxi.
    »Ich wollte mich bei Ihnen melden, aber das kam mir irgendwie blöd vor.«
    »Nein«, widersprach Zorn. »Blöd war es, nicht sofort anzurufen.«
    »Das weiß ich jetzt auch. Aber verstehen Sie denn nicht? Ich hätte nie gedacht, dass Pastor Giese mir etwas tun würde! Er kennt mich, seit ich klein bin, und er ist …«, Max kniff die Augen zusammen, »das klingt jetzt bescheuert, aber er war wie ein Vater für mich. Ich habe ihm vertraut wie niemandem sonst.«
    Zorn sah, wie eine Träne an der Nase des Jungen entlanglief. Wieder wanderten Max’ Finger hoch zu dem Pflaster, als würden sie dort Halt suchen.
    »Ich habe gleich bemerkt, dass da was nicht stimmt. Er war völlig anders als sonst, irgendwie total durchgeknallt, gelacht hat er und gesagt, dass er es jetzt endlich zu Ende bringen würde.«
    »Was kann er damit gemeint haben? Was wollte er zu Ende bringen?«
    »Ich weiß es nicht, Herr Kommissar.«
    »Wirklich nicht?«
    Max schüttelte den Kopf.
    Zorn sah ihn einen Moment an. Er war nicht sicher, aber wenn der Junge log, lieferte er gerade eine oscarverdächtige Leistung

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