Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)
ihm ins Gesicht wie ein feuchter Scheuerlappen, Schweiß lief ihm aus allen Poren, ächzend sank er zurück, schloss das Fenster und verfluchte den Tag seiner Geburt.
Der Volvo tuckerte im Leerlauf, das Außenthermometer zeigte 29,5 Grad. Es war zwei Minuten nach vier, als sein Handy klingelte.
»Wo bleiben Sie?« Frieda Borck nahm sich nicht die Zeit für eine Begrüßung.
»Ich steh im Stau. Die Herrschaften werden sich noch ein wenig gedulden müssen.«
»Beeilen Sie sich.«
»Sie können mir gern einen Hubschrauber schicken, dann geht’s schneller.«
Die Staatsanwältin erwiderte nichts.
»Hören Sie«, sagte Zorn, »ich kann nicht hexen. Und ich werde erzählen, was ich für richtig halte.«
»Sie werden das sagen, was ich Ihnen aufgeschrieben habe.«
»Über den Priester und die Filme, die wir auf seiner Festplatte gefunden haben, werde ich jedenfalls schweigen.«
»Das sollen Sie auch. Ich habe aus der Landeshauptstadt einen Spezialisten angefordert. Er trifft heute Abend ein und wird die Videos auswerten.«
Gut, dachte Zorn. Wenigstens damit muss ich mich nicht beschäftigen.
»Wie lange brauchen Sie noch?«, fragte Frieda Borck.
»Ich bin kurz vorm Bowlingcenter, in zehn Minuten sollte ich da sein.«
»Ich werde den Sender unterrichten.«
»Tun Sie, was Sie nicht lassen können, Frau Borck.«
»Es ist übrigens eine Livesendung.«
»Was?«
»Sie haben schon verstanden. Bauen Sie bloß keinen Mist. Und beeilen Sie sich gefälligst«, wiederholte die Staatsanwältin und unterbrach die Verbindung.
Na ja, dachte Zorn und drehte die Klimaanlage hoch, eigentlich ist es egal, ob es live ist oder aufgezeichnet wird. Zum Deppen mache ich mich so oder so. Vielleicht ist es sogar besser so, um diese Zeit schaut erst recht niemand diesen Mistsender. Ich werde mich also hinstellen und erklären, dass der Fall so gut wie abgeschlossen ist. Obwohl ich nicht daran glaube. Ist das nicht behämmert? Wenn ich unrecht habe, werden die mich feiern, als wäre ich der neue Columbo. Und wenn stimmt, was ich vermute, und sich später herausstellt, dass wir voreilig an die Presse gegangen sind, werde ich öffentlich hingerichtet.
Neben ihm tauchte das Bowlingcenter auf, rechts daneben lag das schmutzigweiße Verlagsgebäude. Fast hätte Zorn die Ausfahrt verpasst, er vollführte eine Vollbremsung und bog mit quietschenden Reifen links ab, was hinter ihm mit einem erneuten empörten Hupen quittiert wurde.
»Scheiß drauf«, knurrte er und parkte direkt vor dem Eingang. »Ich werde das hinter mich bringen. Aber noch mal mach ich das nicht. Beim nächsten Mal kündige ich. Jeder Job auf der Welt ist besser als das.«
Er stieg aus und hastete über den Parkplatz.
Wer weiß, tröstete er sich in Gedanken, vielleicht werde ich ja doch noch Flötist?
*
»Behalten Sie ruhig Platz, Herr Wachtmeister.«
Bolldorf war aufgesprungen, als Schröder auf dem Flur der Intensivstation erschienen war. Der kleine Hauptkommissar kam mit schnellen Schritten näher, seine Absätze quietschten leise auf dem glänzenden Linoleum. Er streckte dem jungen Mann die Hand entgegen. »Also, wie sieht’s aus?«
Bolldorf schien enttäuscht.
»Ich dachte eigentlich, dass Hauptkommissar Zorn …«
»Kollege Zorn ist verhindert.«
»Er hatte gesagt, dass er persönlich hier erscheinen wollte.«
»Das weiß ich. Aber ich denke, wir beide werden ebenfalls gut zurechtkommen, junger Freund. Sie kennen mich doch, oder?«
»Natürlich«, erwiderte Bolldorf, recht überzeugt klang er allerdings nicht. »Könnten wir Hauptkommissar Zorn nicht wenigstens anrufen?«
»Dazu kommen wir später.« Schröder ließ sich seine Ungeduld nicht anmerken. Er lächelte dem Wachtmeister zu, als hätten sie alle Zeit der Welt. »Jetzt stecken Sie erst mal Ihr Hemd in die Hose und erklären mir, was los war.«
»Nun ja«, sagte Bolldorf und ordnete verlegen seine Uniform, »ich glaube, dass der Verdächtige zu sich gekommen ist, jedenfalls hatte ich vorhin den Eindruck.«
»Und jetzt?«
»Das kann ich nicht genau sagen, ich darf ja nicht ins Zimmer. Vorhin waren ein paar Ärzte bei ihm, aber seit einer Viertelstunde ist alles ruhig, nicht mal eine Schwester ist hier vorbeigekommen. Der Herr Hauptkommissar wollte, dass ich ihn sofort anrufe, wenn was passiert. Aber sicher bin ich nicht, hier redet ja niemand mit mir.«
Schröder nahm den Wachtmeister am Arm und zog ihn zu sich herab. »Ich habe eben mit dem Arzt gesprochen«, sagte er vertraulich. »Mir
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