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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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sagt er ebenso wenig wie Ihnen, Kollege.«
    Bolldorf, der soeben das erste Mal in seinem Leben von einem Hauptkommissar als Kollege bezeichnet worden war, wurde flammend rot. Schröder tat, als würde er es nicht bemerken. Er deutete hinter sich, auf die geschlossene Tür zu Zimmer 403. »Ich gehe jetzt da rein und sehe, ob ich mit Giese reden kann. Sie halten Ausschau, wenn jemand kommt, geben Sie mir Bescheid. Ihnen ist doch klar, dass das, was wir hier machen, nicht ganz dem normalen Dienstweg entspricht, oder?«
    »Ich kenne die Vorschriften«, erklärte der Wachtmeister wichtig. »Aber ich weiß auch, dass man manchmal unorthodox handeln muss, wenn es die laufenden Ermittlungen erfordern.«
    »So ist es«, nickte Schröder. »Hauptkommissar Zorn sieht das übrigens genauso. Er wird sehr froh sein, dass Sie so denken wie er.«
    Bei der Erwähnung von Zorns Namen erschien ein Strahlen auf Bolldorfs Gesicht. »Sind Sie sicher?« fragte er ehrfürchtig.
    »Das bin ich.«
    Schröder sah sich kurz um. Der Flur war menschenleer. Die Tür schleifte leise auf ihren Rollen, als er sie behutsam beiseiteschob. Er nickte dem jungen Mann zu, dann war er im Zimmer verschwunden.
    Wachtmeister Bolldorf nahm Haltung an und ging vor der Tür in Stellung.
    *
    »Gut, dass Sie endlich da sind, Herr Zorn.«
    Der junge Mann, der sich als Assistent der Geschäftsführung vorgestellt hatte (seinen Namen hatte Zorn sofort wieder vergessen, erinnerte sich aber, dass etwas Ähnliches wie » junior executive assistant manager« in goldfarbenen Lettern auf seiner Visitenkarte gestanden hatte), lief eilig voraus. Er trug Jeans, ein pinkfarbenes Hemd und einen kleinen, aber unübersehbaren Brillantohrring.
    »Hier warten schon alle wie verrückt«, sagte er etwas außer Atem über die Schulter.
    Zorn, der sich lieber nicht vorstellen wollte, wer da wohl wie verrückt auf ihn wartete, folgte ihm über einen langen, mit grauem Teppich ausgelegten Flur.
    Vor einer Glastür blieb der Assistent stehen. »Hier hinein bitte«, säuselte er und wedelte mit einem Klemmbrett, das er bisher unter dem Arm getragen hatte.
    Zorn äugte misstrauisch durch die Tür.
    »Was ist dort?«
    »Die Maske.«
    »Ihr wollt mich schminken?«
    »Aber natürlich, Herr Zorn. Sonst glänzt Ihre Haut in den Scheinwerfern. Und Ihre Haare sollten wir auch ein wenig richten.«
    »Vergiss es. Ich lasse mich nicht einpudern. Und kämmen schon gar nicht.«
    Der Assistent hob eine gepflegte Augenbraue.
    »Wie Sie wünschen.«
    »Und jetzt«, Zorn griff seinen Unterarm und zog ihn vorwärts, »will ich wissen, wo die Kameras sind. Ihr habt doch hier Kameras, oder?«
    »Aber natürlich«, stotterte der junge Mann. »Mehr als genug.«
    »Eine reicht mir. Und nun los, bevor ich’s mir anders überlege.«
    *
    Zimmer 403 lag im Halbdunkel, die Jalousien vor den hohen Fenstern waren zur Hälfte geschlossen. Das Licht fiel in schmalen Streifen auf die reglose Gestalt des Priesters.
    Schröder stand seit einer Weile am Bett. Es war kühl im Zimmer, trotzdem hatte man die Decke bis zu Gieses Hüften heruntergeschlagen. Seine Augen waren geschlossen, der nackte, behaarte Brustkorb hob und senkte sich langsam, das Beatmungsgerät zischte leise.
    »Sind Sie wach, Herr Giese?«
    Schröder ging zum Kopfende des Bettes, dort blieb er stehen und sah den Priester lange an.
    »Verstehen Sie mich?«
    Keine Reaktion.
    »Hören Sie, was ich sage?«
    Gieses Wangenmuskeln bewegten sich kaum merklich unter der blassen Haut. Schröder setzte sich auf den Bettrand, das Metallgestell quietschte leise. Einen Moment sah er Giese prüfend an, dann stützte er sich mit der Hand neben dem Kopfkissen ab und beugte sich dicht über ihn, bis sein Mund nur noch wenige Zentimeter vom rechten Ohr des Priesters entfernt war.
    »Ich weiß, was du getan hast«, flüsterte er. »Und ich weiß, dass du mich jetzt hörst. Du solltest tot sein, Priester. Es gibt keine Entschuldigung für das, was du getan hast. Und auch keine angemessene Strafe. Aber etwas muss noch in dir sein, ein Rest Menschlichkeit vielleicht, nenn es, wie du willst. Und jetzt streng dich verdammt nochmal an, und wach auf. Sag mir, was ich wissen muss!«
    Die Finger des Priesters zuckten. Schröder bemerkte es nicht. Seine Faust hatte sich im Bettlaken neben Gieses Kopf verkrallt.
    »Ich könnte irgendeinen von diesen Steckern ziehen, dann wäre es vorbei«, presste Schröder hervor. »Aber diesen Gefallen werde ich dir nicht tun. Du hast noch nicht

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