Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)
Ihnen bleiben?«
Zorn konnte nicht anders, er lachte laut auf.
»Hältst du mich für bescheuert? Glaubst du, ich falle noch mal auf diese dämliche Nummer rein?«
Martha wischte sich mit den geballten Fäusten über die Augen. Sie weinte. Wie ein Kind, das um ein Eis bettelt.
»Es tut mir leid, was ich getan habe. Wirklich. Ich … ich rufe an, ich sage denen, dass ich gelogen habe. Ich tu alles, was Sie wollen.«
»Du hast behauptet, dass ich dich vergewaltigen wollte.«
»Ich weiß. Es tut mir leid.«
Himmel, dachte Zorn, soll ich mich jetzt noch tiefer in die Scheiße reiten? Wer weiß, was sie diesmal vorhat. Nee, ich lass mich von dieser Göre nicht verarschen. Ich nicht.
Sie schniefte laut.
»Ich hab einfach Angst, Herr Kommissar.«
»Vor wem?«
Martha schloss die Augen. Schwankte, als würde sie das Gleichgewicht verlieren. Zorn hielt sie an der Schulter fest. »Vor wem?«, wiederholte er.
»Lassen Sie mich einfach hierbleiben. Ich kann ja auf Ihrem Sofa schlafen. Oder irgendwo auf dem Fußboden. Wenn es hell wird, verschwinde ich. Ich schwör’s.« Eine Träne löste sich von ihrer Wimper und rollte langsam die linke Wange hinab.
Zorn dachte nach.
»Melde dich morgen im Präsidium«, sagte er dann. »Da reden wir.«
»Schicken Sie mich nicht weg, Herr Kommissar.«
»Geh.«
»Bitte.«
Ein Wort nur.
Er schüttelte den Kopf. Zögerte. Warf ihr einen letzten Blick zu.
Sie sah ihn an.
Claudius Zorn schloss die Tür.
*
»Geht’s dir gut, Chef?«
»Ja. Alles prima.«
Zorn rieb sich das rechte Ohr. Das Pfeifen war lauter geworden, ansonsten fühlte er sich tatsächlich hervorragend. Er hatte gut geschlafen und war pünktlich, frisch und ausgeruht im Büro erschienen. Schröder stand vor seinem Schreibtisch und sah ihn prüfend an.
»Was sagt der Arzt?«
»Ach«, wiegelte Zorn ab, »ein kleiner Schwächeanfall, mehr nicht. Ich hatte nichts gegessen, und die Luft in diesem Sender war fürchterlich, ich war kurz vorm Ersticken. Die haben nicht mal eine Klimaanlage in diesem Sauladen.«
»Trotzdem, du solltest auf dich aufpassen. Du bist keine vierzig mehr.«
»Hahaha, ich lach mich tot«, erwiderte Zorn gedehnt. »Egal, es hat sowieso kaum jemand gesehen. Wer guckt schon diesen Provinzsender?«
»Die Staatsanwältin auf jeden Fall.«
»Und die ist sauer, oder?«
»Das wird sie dir bestimmt persönlich sagen, Chef. Es gibt übrigens auch einen Artikel in der Zeitung.«
»Die liest auch keiner.«
Zorn machte eine wegwerfende Handbewegung. Aber er war blass geworden. Der Gedanke, dass sein peinlicher Fernsehauftritt publik wurde, wollte ihm ganz und gar nicht gefallen.
»Ich frage mich«, sagte er, nachdem er sich umständlich geräuspert hatte, »woher die wussten, dass wir es mit einem Priester zu tun haben.«
»Das wundert mich auch. Aber du musstest ja nicht näher darauf eingehen. Insofern hatte dein …«, Schröder machte eine winzige Pause, »kleiner Zusammenbruch auch etwas Gutes.«
»Ja«, nickte Zorn. »Das tröstet mich ungemein, danke.«
»Bitte.«
»Was war eigentlich gestern im Krankenhaus?«
Schröder zögerte einen Moment.
»Falscher Alarm, Chef. Giese ist nicht ansprechbar.«
»Ich kapier das einfach nicht.« Zorn schüttelte den Kopf. »Ein pädophiler Priester, der auch noch zum Doppelmörder wird. Ist das nicht ein wenig sehr platt?«
Schröder wippte auf seinen kurzen Beinen.
»Vielleicht. Aber wir haben momentan niemand anderen. Der Spezialist aus der Landeshauptstadt ist übrigens da, um zehn ist eine erste Besprechung angesetzt.«
Zorn dachte an das Mädchen aus dem Video. Jemand musste diesen Kindern helfen. Er selbst war damit überfordert, er war zu weich dazu, diesmal hatte es nichts mit seiner Faulheit zu tun. Aber was war mit Schröder? Warum wollte er partout nichts mit diesen Filmen zu tun haben? Mehr noch, es schien, als wolle er nicht einmal darüber sprechen.
»Du sollst den Mann einweisen, Chef.«
»Und du?«
Wieder schien Schröder zu zögern.
»Ich wollte noch mal zur Spurensicherung, die haben irgendwas gefunden. Wahrscheinlich ist es nur eine Kleinigkeit.«
»Okay«, nickte Zorn und sah aus dem Fenster. Der Himmel war bewölkt, Wind war aufgekommen und wehte ein paar alte Zeitungen über den Parkplatz. Er stand auf und lehnte sich ans Fensterbrett.
»Martha Haubold war letzte Nacht bei mir.«
Schröder trat einen Schritt vor.
»Wie bitte?«
»Sie sagte, dass sie Angst habe. Angeblich wusste sie nicht, wohin. Sie wollte bei
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