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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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mir schlafen.«
    »Was hast du getan?«
    »Ich hab sie ausgelacht.«
    Schröder kaute auf seiner Unterlippe.
    »War das richtig?«
    »Scheiße, ich weiß es nicht, Schröder!« Zorn begann im Zimmer auf und ab zu laufen. »Sie hat mich schon mal dermaßen verarscht, ich hatte einfach keinen Bock, mich mit ihr abzugeben!«
    »Und jetzt?«
    Zorn blieb stehen.
    »Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Je mehr ich drüber nachdenke, desto komischer kommt mir das alles vor. Vielleicht war es echt.«
    »Dann«, sagte Schröder leise, »hättest du einen Fehler gemacht.«
    »Ja«, nickte Zorn und blieb stehen. »Vielleicht. Ich habe ihr gesagt, dass sie heute ins Präsidium kommen soll.«
    »Was sie bisher nicht getan hat.«
    »Richtig.«
    Schröder überlegte, dabei kratzte er sich mit dem rechten Zeigefinger die bandagierte Handfläche der linken Hand.
    »Wir werden nach ihr suchen, Chef.«
    »Okay. Wahrscheinlich liegt sie zu Hause und pennt.«
    Das hoffe ich jedenfalls, dachte Zorn, nachdem Schröder gegangen war. Ich kann dieses Mädchen nicht leiden, aber ich hoffe wirklich, dass ihr nichts passiert ist.
    Bis zur Besprechung war noch eine halbe Stunde Zeit, er startete den Computer und öffnete das Mailprogramm. Während die Nachrichten geladen wurden, ertappte er sich bei dem Gedanken an Malina und der Hoffnung, dass sie sich vielleicht gemeldet hatte.
    Sofort wurde er wütend. Dieses Gefühl wich einer leichten Beklemmung, als er sah, dass er zwar keine Nachricht von Malina, dafür aber eine Mail der Staatsanwältin erhalten hatte:
    Gratuliere, hervorragender Auftritt. Über die Konsequenzen reden wir später.
    Unter die Nachricht hatte Frieda Borck einen Link zu Youtube kopiert.
    Zorn klickte darauf.
    Das Video war nur ein paar Sekunden lang, es trug den Titel Besoffener Provinzbulle im Lokalfernsehen , innerhalb weniger Stunden war es bereits über viertausendmal angeklickt worden. Und es war von sehr guter Qualität.
    Lieber Gott, lass das nicht wahr sein, stöhnte er und startete den Film.
    Zuerst sah alles ganz normal aus. Zorn stand neben der Reporterin im Studio vor der blauen Wand. Claudius Zorn, Hauptkommissar , war in roter Schrift unten rechts eingeblendet. Es folgte ein Schwenk auf die blonde Frau, die mit etwas spitzer Stimme feststellte, dass die Menschen ein Recht hätten, zu erfahren, wer die Stadt so sehr in Angst und Schrecken versetzt hätte.
    Eine Pause entstand, das Bild zoomte auf Zorns Gesicht. Er sah ausgesprochen dümmlich aus, die Schweißtropfen auf seiner Stirn waren deutlich zu erkennen. Ein desorientierter Trottel, der nicht weiß, was er sagen soll.
    Haben Sie meine Frage verstanden? , kam die blecherne Stimme der Reporterin aus dem Off.
    Zorn, immer noch in Großaufnahme, griff sich an den Kragen. Er lallte etwas Unverständliches. Plötzlich begann er zu schielen, verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu erkennen war, er schwankte, dann kippte er nach vorn aus dem Bild, kerzengerade, wie ein Soldat, die Hände an der Hosennaht. Ein lautes Krachen, als zuerst Zorns, dann das Stehpult der Reporterin umfiel.
    Die Kamera wackelte, als wisse sie nicht, was nun zu tun sei. Dann noch einmal die Stimme der Reporterin: Was für ein Hornochse! Ist der besoffen?
    Es folgte ein kurzes Lachen, wahrscheinlich der Kameramann.
    Dann war der Film zu Ende.
    Claudius Zorn saß vor seinem Computer und wünschte, er wäre tot.
    *
    Kriminalhauptkommissar Jan Czernyk war Deutscher. So jedenfalls stand es in seinem Personalausweis. Was allerdings immer wieder zu Irritationen führte, war sein Aussehen: Die mandelförmigen braunen Augen, die dunkle, an Oliven erinnernde Farbe seiner Haut, das schwarze Haar und die hohen Wangenknochen zeigten deutlich, dass er kein Europäer war. Czernyk war in einem südvietnamesischen Dorf zur Welt gekommen, im Alter von elf Monaten hatte ihn ein deutsches Ehepaar in einem katholischen Waisenhaus in Saigon adoptiert. Er war in einer Kleinstadt in der Nähe von München aufgewachsen, hatte studiert und jetzt, mit fünfunddreißig, arbeitete er als Sonderermittler am Landeskriminalamt, Spezialgebiet: Kinderpornographie.
    Czernyk galt als einer der Besten, doch er war ein Außenseiter. Niemand wurde so recht schlau aus diesem drahtigen, selbstbeherrschten Mann, der stets tadellos gekleidet zum Dienst erschien. Ein deutsch sprechender Asiate mit polnischem Namen und leichtem, aber unverkennbar bayerischem Akzent, dem man nie ansah, was er dachte. Und einem

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