Zorn - Wo kein Licht
doch er bemerkte die Staubwolke auf dem Boden, genau zwischen de Koops Beinen. Sie wirkte unscheinbar, fast lächerlich, ebenso wie das Geräusch des Schusses, der Schalldämpfer neutralisierte den Knall zu einer harmlosen Verpuffung.
»Regel Nummer eins«, sagte Czernyk beiläufig. »Sie reden, wenn ich Sie frage. Der nächste Schuss geht in Ihre Kniescheibe.«
Der Richter war halb aufgesprungen, jetzt sackte er wieder in sich zusammen.
Czernyk überlegte einen Moment, dann griff er einen Stapel Papiere.
»Ich habe aufgeschrieben, wie alles zusammenhängt, ich werde es jetzt verlesen. Wir haben nicht viel Zeit.«
Die Kerzen im Raum waren zu drei Vierteln heruntergebrannt, Wachs tropfte über den Tisch, vom Rand des Brunnens, von den Fensterbrettern. Es roch nach Propangas, der scharfe Korditgeruch des Schusses hing in der Luft.
Jan Czernyk begann zu lesen.
»Ich versichere, dass ich in vollem Besitz meiner geistigen Kräfte bin.« Wieder legte er die Papiere beiseite und sprach aus dem Gedächtnis weiter, die Waffe und den Blick starr auf Elias de Koop gerichtet.
»Das, was ich hier niederschreibe …«
Fünfunddreißig
… ist die volle Wahrheit. Ich werde nichts davon beschwören, denn Schwüre sind da, um gebrochen zu werden. Dies alles habe ich selbst erlebt, das muss genügen.
Fast zwanzig Jahre bin ich Polizist gewesen, ich habe das Verbrechen in allen Facetten erlebt, habe gegen Serienmörder ermittelt, gegen Vergewaltiger, Erpresser, Kinderschänder. Der Sinn meiner Arbeit bestand darin, diese Menschen dingfest zu machen, manchmal ist mir das gelungen, oft, viel zu oft, auch nicht. Von all den Kreaturen, mit denen ich zu tun hatte, ist niemand auch nur annähernd mit Elias de Koop vergleichbar. Niemand.
Ich bin diesem Mann lange gefolgt, sehr lange. Zunächst schien es nur Routine zu sein, es ging um Steuerhinterziehung und Urkundenfälschung. Nichts davon ließ sich eindeutig beweisen. Selbst jetzt bin ich nicht sicher, ob man Elias de Koop in dieser Beziehung jemals etwas hätte nachweisen können. Das ist auch nicht mehr wichtig, denn das, was er getan hat, ist wesentlich schlimmer.
Elias de Koop hat Frauen gekauft.
Sicherlich, das tun viele Männer. Und nach Auffassung der Allgemeinheit ist dies nicht verwerflich, es ist nicht einmal strafbar, seit Jahrtausenden bezahlen Männer Frauen für Sex. Man kann es widerlich und abstoßend finden, ändern kann man es nicht. Es ist ein einfaches, uraltes Prinzip: Ich gebe dir Geld. Du kümmerst dich um meine Triebe.
Elias de Koops Triebe allerdings sind anders. Sie sind dunkel. Niemand würde sie freiwillig befriedigen, denn es geht ihm nicht um Sex.
Er kauft Frauen, um sie zu foltern. Danach tötet er sie.
Ich weiß nicht, seit wann er das tut. Ich weiß auch nicht, wie viele Frauen durch ihn gestorben sind, er hat nie Spuren hinterlassen. Ich selbst bin nur durch Zufall darauf gestoßen.
Ich war in seiner Villa. Nein, es gab keinen Durchsuchungsbeschluss, dies war lange, bevor offiziell Anklage erhoben wurde. Ich wollte mich dort umsehen, bevor er gewarnt wurde. Es war ein Gefühl, mehr nicht, aber ich ahnte, dass mit diesem Mann etwas nicht stimmte. De Koop ist ein kühl kalkulierender Mensch, alles, was er tut, plant er haargenau, bis ins kleinste, nebensächliche Detail. Dies betrifft nicht nur seine Geschäfte, sondern auch sein Privatleben. Und seine Verbrechen.
Er hatte die Filme gut versteckt. Altmodische, durchnummerierte Hi8-Kassetten, es waren über zwanzig. Eine davon habe ich mitgenommen, ohne zu ahnen, was ich darauf finden würde. Ich bin auf Videoauswertungen spezialisiert, jahrelang habe ich den schlimmsten Dreck analysiert, ich dachte, ich hätte alles gesehen, was Menschen einander antun können. Ich habe mich geirrt.
Elias de Koop hat seine Morde gefilmt. »Mord« ist ein unpassendes Wort, aber ich weiß nicht, wie man solche Monstrositäten besser beschreiben soll. Das Band ist eine Stunde lang, doch dies alles muss sich über Tage hingezogen haben.
Er wusste, dass es ein Fehler war, seine Taten zu filmen. Da bin ich sicher. Aber dies war ein Punkt, den er nicht kontrollieren konnte. Die Filme waren sein Fetisch, er musste sie aufheben, immer wieder ansehen, alles noch einmal erleben. Es gibt keine digitalen Kopien, diese Kassetten waren das Einzige, was er aufbewahrte. Erst als offiziell gegen ihn ermittelt wurde, hat er die Filme in Sicherheit gebracht, ich denke, er hat sie vernichtet. Wann er bemerkt hat, dass einer
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