Zorn - Wo kein Licht
zu Zorn hinüber.
»Gut. Dann reden Sie.«
Zorn überlegte. Dutzende Fragen schossen ihm gleichzeitig durch den Kopf. Was er über de Koop gehört hatte, war ungeheuerlich, er würde eine Weile brauchen, bis er das alles verdaut hatte. Vorausgesetzt es stimmte, was Czernyk behauptete. Überhaupt wurde die ganze Situation immer absurder. Er stand in einer verlassenen Badehalle, Kerzen leuchteten wie bei einer Schwarzen Messe, surrreales Licht flackerte über türkisfarbene Fliesen, vor ihm saßen zwei aneinandergefesselte Männer, der eine in schlammverkrusteten Sportsachen, der andere in einem völlig verdreckten Anzug, eine löchrige Decke über den Schultern. Czernyk schien dies alles völlig normal zu finden, er saß hinter dem Tisch, in der einen Hand die Waffe, die andere spielte mit der Lötlampe. Eine kleine, bläuliche Flamme stand senkrecht in der Mündung. Manchmal, wenn Czernyk sprach, bewegte sie sich leicht.
»Ich glaube Ihnen nicht«, sagte Zorn schließlich. »Ihre Geschichte ist nicht stimmig. Nehmen wir zum Beispiel de Koops Anwalt: Sie haben diesen Mann verschleppt, später haben Sie seine Leiche in mein Büro verfrachtet. Und dann behaupten Sie allen Ernstes, dass Sie mit seinem Tod nichts zu tun haben?«
»So ist es.«
»Wer dann?«
Czernyk deutete auf de Koop.
»Fragen Sie ihn.«
»Ich frage Sie, Czernyk!«
»Der Anwalt befand sich in einer der Badezellen, direkt neben der des Richters. Ich habe ihn dort festgesetzt, weil er heute dabei sein sollte, er sollte aussagen, genau wie die anderen beiden. Ich war unterwegs, die Tür war verschlossen. Als ich zurückkam, war das Schloss aufgebrochen, der Mann war tot.«
»Das ist lächerlich!«
»Nein. Es ist traurig.«
Draußen heulte ein Motor auf, ein Laster holperte über das Kopfsteinpflaster. Der Boden vibierte, Putz rieselte von der Decke, ein feiner Strahl landete auf Czernyks Schulter. Er wischte ihn fort.
»Was war mit den Toten auf dem Polizeiball?«, fragte Zorn, der die kleine Pause zum Nachdenken genutzt hatte.
»Ich habe keine Ahnung, was dort geschehen ist.«
»Sie ziehen hier eine Schmierenkomödie ab, Czernyk. Die ganze Zeit reden Sie von irgendwelchen Beweisen, doch Sie haben absolut nichts!«
»Ich habe das Geständnis dieses Richters. Sie haben es gehört.«
Zorn lachte auf.
»Ich sehe hier keinen Richter. Ich sehe einen alten, verwirrten Mann, der keine Ahnung hat, was vor sich geht. Er plappert nach, was Sie von ihm verlangen.«
Als der Richter hörte, dass vom ihm gesprochen wurde, wandte er sich langsam zu Zorn um. Er blinzelte verwirrt, dann schüttelte er den Kopf.
»Wer sind Sie?«, fragte er müde.
»Drehen Sie sich um!«
Ein Krachen, Czernyk hieb mit dem Pistolenknauf auf den Tisch. Eine Kerze fiel um, Wachs verteilte sich zwischen den Werkzeugen. Der Richter fuhr erschrocken zusammen und wandte sich wieder nach vorn.
Wieder rieselte etwas Putz von der Kuppel. Diesmal traf es Zorn.
»De Koop hat Ihnen aufgetragen, den Film zu vernichten«, wandte sich Czernyk an den Richter. »Er hatte Ihnen Geld gegeben, aber Sie haben Angst bekommen. Deshalb wollten Sie den Film aufbewahren, und um sicherzugehen, haben Sie ihn bei einem alten Freund deponiert, bei Meinolf Grünbein. Sie wollten etwas gegen de Koop in der Hand behalten, einen Trumpf.«
Das waren keine Fragen, sondern Feststellungen.
»Habe ich recht?«
Der Richter schwieg.
»Antworten Sie!«
Ein Nicken. So jedenfalls deutete es Zorn aus dem Hintergrund.
»Wussten Sie, was auf dem Band zu sehen ist?«, fragte Czernyk scharf.
»Nein«, murmelte der Richter. »Ich habe mich nicht getraut, es anzusehen.«
»Gut.« Czernyk schien zufrieden. »Sie werden nachher Ihr Geständnis unterschreiben.«
»Nichts ist gut!«, rief Zorn. »Ihre sogenannten Geständnisse sind einen Dreck wert! Sie wurden unter Androhung von Folter gemacht! Das wissen Sie so gut wie ich!«
Czernyk lehnte sich zurück und zog den Schlips gerade.
»Sie werden es später bezeugen.«
»Ich? Einen Scheiß werde ich! Sie sind ein …«
»Es reicht«, unterbrach Czernyk. »Sie haben genug geredet.«
Zorn schäumte, aber er hielt den Mund.
»Kommen wir zu Ihnen«, wandte sich Czernyk nun an de Koop.
Während der letzten Minuten hatte de Koop kein einziges Wort gesprochen. Auch jetzt schwieg er, neigte nur den Kopf ein wenig, als könne er so besser zuhören.
»Sie haben gehört, was ich Ihnen vorwerfe. Was haben Sie dazu zu sagen?«
Keine Antwort.
Czernyk schien damit
Weitere Kostenlose Bücher