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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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habe er bis zum Schluss nicht verstanden, was mit ihm passierte.
    Ja, er war schnell gestorben, und das war sein Glück.
    Als ihm die Augen aus dem Kopf geschnitten wurden, hatte er nichts mehr gespürt.

Siebzehn
    »Nach Ihnen, Monsieur. «
    Die gläserne Eingangstür des Präsidiums öffnete sich mit einem Zischen. Schröder trat beiseite, um Zorn den Vortritt zu lassen, dieser wiederum bedankte sich mit einem huldvollen Kopfnicken und trat hinaus in die Dunkelheit. Im selben Moment erwachten die großen Laternen auf dem Parkplatz flackernd zum Leben, als wollten sie ihn begrüßen. Zwei schnelle Schritte, die Zigarette, die ihm seit dem Verlassen des Büros im Mundwinkel hing, glühte auf. Gierig sog Zorn den Rauch ein, behielt ihn einen Moment in den Lungen und stieß ihn dann geräuschvoll wieder aus. Dann schloss er die Augen und lehnte sich auf die Motorhaube des Volvos. Schröder machte Anstalten, quer über den Parkplatz in Richtung Straßenbahn zu schlendern.
    »Schönen Feierabend, Chef.«
    »Lass uns noch eine rauchen.«
    Schröder blieb stehen.
    »Vielleicht ist es dir noch nicht aufgefallen, aber ich rauche selten.«
    »Ach nee.«
    »Eigentlich nie.«
    »Dann guck zu.« Zorn dachte an seine verlassene Wohnung. »Wir können ja noch ein bisschen quatschen.«
    Schröder schniefte, zog die Schultern hoch und warf einen langen Blick über den leeren Parkplatz. Die Erkältung schien zurück, seine Stimme klang belegt.
    »Ein hervorragender Ort für ein nettes Gespräch.«
    Die Temperatur war wieder gefallen, Eis hatte sich auf den Scheiben der Streifenwagen gebildet, der Asphalt glitzerte, als wäre er mit Millionen winziger Glassplitter übersät.
    Zorn schob die Brille in die Stirn und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel.
    »Man wird noch verrückt, wenn man ständig auf irgendwelche Papierscheiße starrt.«
    »Das ist unser Job. Es bleibt uns momentan nichts anderes übrig.«
    Den ganzen Tag hatten sie Akten gewälzt. Etwas Neues hatten sie nicht gefunden. Doch das konnte sich ändern, fertig waren sie noch lange nicht. Über dreißig dicke Ordner verteilten sich im Büro, ein Großteil der Unterlagen musste noch durchgesehen werden.
    Zorn gähnte.
    »Wir müssen Elias de Koop noch einmal vernehmen.«
    »Mach ich morgen.«
    »Gut.«
    Schröder verschränkte die Arme vor der Brust und massierte seine Oberarme. Er trug einen grauen Wollmantel mit altmodischem Fischgrätmuster und großen schwarzen Plastikknöpfen. Den Kragen hatte er bis über die Ohren hochgeschlagen.
    So standen sie eine Weile auf dem Parkplatz.
    Zorn rauchte schweigend.
    Schröder rauchte nicht. Schwieg aber ebenfalls.
    »Was ist eigentlich damals mit deinem Bruder passiert?«, fragte Zorn.
    Eine gute, persönliche Frage, wie er fand. Schließlich hatte er sich vorgenommen, Schröder im Auge zu behalten, aufzupassen, wie es ihm ging, unabhängig von ihrer Arbeit.
    »Es gibt Dinge, über die ich nicht spreche.« Schröder rieb die verschnupfte Nase. »Ein paar davon kennst du. Rüdiger gehört dazu.«
    »Das wusste ich nicht.«
    »Nun, jetzt weißt du’s.«
    Schröder lächelte. Seine Glatze glänzte, als wäre sie frisch poliert. Die kümmerlichen Überbleibsel seines Haares wirkten weiß, fast farblos im orangefarbenen Licht der Laternen.
    Zorn nickte, die Zigarette fiel zu Boden.
    Nun gut, dachte er. Ich hab’s immerhin versucht.
    Er kramte den Autoschlüssel aus der Lederjacke und öffnete den Mund, um Schröder zu fragen, ob er ihn mitnehmen solle. Eine hohe, seltsam schleppende Stimme unterbrach ihn, sie kam von links, wo die Mannschaftswagen der Einsatzkommandos geparkt waren. Ein Lichtstrahl zuckte auf, zwischen den Autos erschien eine Gestalt.
    »Mir brach den Schlaf im Haupt ein Donnerkrachen«, sang der Lampenmann. »So schwer, dass ich zusammenfuhr dabei!«
    Über der Armeejacke trug er eine ärmellose Fellweste, die Füße steckten in schwarzen Wanderstiefeln. Er lief breitbeinig, als habe er Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten. Die Plüschtiere an seinem Rucksack wackelten im Takt seiner Schritte, mehr denn je erinnerte er an einen dicken, mit allerlei Krimskrams behängten Weihnachtsbaum.
    »Ich warf umher das Auge wach und frei, emporgerichtet, dass ich sähe«, er bückte sich, hob eine Zigarettenkippe auf und verstaute sie in seiner Hosentasche, »und unterschied, an welchem Ort ich sei.«
    Zorn nahm Schröder am Arm und zog ihn mit sich in den Schatten der großen Kastanie.
    »Ich kenne den

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