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Zorn

Zorn

Titel: Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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erzählte Ms Sedakis. »Ich weiß noch, dass er Tag und Nacht daran gearbeitet hat. Wir haben darüber gesprochen. Er hat den Obdachlosen nicht für den Täter gehalten und gesagt, ein anderer Detective sei auch der Meinung, dass ihm etwas angehängt würde.«
    »Das war ich.« Lucas dachte: Hansons Zweifel habe ich gar nicht bemerkt. »Hat er etwas davon erwähnt, als die Leichen entdeckt wurden?«
    »Ich hatte einige Wochen nicht mehr mit ihm gesprochen. Wir wohnen in Farmington, und er war oben in Golden Valley. Den größten Teil des Sommers hat er hier verbracht. Ich muss Ihre Frage verneinen.«
    »Wann ist er zurück in die Cities?«, erkundigte sich Lucas.
    »Wir wussten nicht immer, wo er ist. Wie gesagt: Den größten Teil des Sommers war er hier oben.«
    »Er ist in der Nacht vor seinem Verschwinden zurückgekehrt«, bemerkte Childress. »Sagen seine Golffreunde.«
    »Also in der Nacht, in der die Jones-Schwestern gefunden wurden.«
    Lucas wollte sich die Hütte ansehen. Childress ließ ihn und Ms Sedakis hinein, bat sie jedoch, nichts zu berühren. Hanson hatte den Platz von seinem Vater geerbt, der in den Fünfzigern eineinhalb Hektar Grund am Seeufer erworben hatte, als der noch billig zu haben war. Zwanzig Jahre lang hatten sie einen Trailer hier gehabt, und schließlich, als die Preise für Seegrundstücke kontinuierlich gestiegen waren, hatten sie einen halben Hektar verkauft, was reichte, um die Holzhütte mit den vier Zimmern zu errichten.
    Die Hütte war gepflegt, hatte oben zwei Schlafzimmer für Kinder oder Gäste, zu denen man über eine fast senkrechte Treppe gelangte, sowie ein weiteres kleines Zimmer am hinteren Ende des Erdgeschosses. Dazu zwei kleine Bäder, beide mit Duschen, keines mit Wanne. Die Küche war durch eine Frühstückstheke vom Wohnbereich abgetrennt; im Wohnzimmer befanden sich Ledersitzmöbel und ein riesiger Fernseher, Anglerfotos sowie ein Schreibtisch mit einem Computer, der mit einer Satellitenantenne verbunden war.
    »Hübsches Heim; er hat es gut in Schuss gehalten«, bemerkte Lucas. Dabei fiel sein Blick auf die drei leuchtend roten Stearns-Schwimmwesten, die an Haken bei der Tür hingen.
    »Ja.« Childress nickte.
    »Wir haben glückliche Zeiten hier oben verbracht. Glaube ich zumindest«, sagte Ms Sedakis ein wenig unsicher. »Na ja, ich bin eher ein Stadtmensch.«
    Auf dem Kaminsims standen Familienfotos, darunter eines von einer Frau, die wirkte wie eine ältere, beleibtere Version von Ms Sedakis, und eines von einem dunkelhaarigen Jungen, der einen Neunzig-Zentimeter-Hecht hochhielt. »Das ist Mom«, erklärte Ms Sedakis. »Und mein Bruder Darrell.«
    Darrell, dachte Lucas, dessen Puls sich beschleunigte, sah aus wie Fell.
    »Ich glaube, ich bin Darrell mal begegnet, vor etwa zehn Jahren, mit Ihrem Vater vor Cecil’s in St. Paul … Kräftiger Mann, schwarzer Bart?«
    »Nein. Darrell hat meines Wissens nie einen Bart getragen. Wir stehen uns nicht sonderlich nahe; er ist zehn Jahre älter als ich, ich sehe ihn nur ein-, zweimal im Jahr. Ich glaube, ihm wächst gar kein richtiger Bart. Er gehört zu den Männern, die nicht mal einen ordentlichen Schnauzer hinkriegen. Bleibt immer irgendwie mickrig.«
    Lucas nickte. »Dann ist er’s wahrscheinlich nicht.«
    Beim Hinausgehen erzählte Ms Sedakis von der beruflichen Laufbahn und dem Ruhestand ihres Vaters.
    Lucas erfuhr, dass er trotz seines Übergewichts körperlich halbwegs fit war. »Ein Freund von mir hatte die Theorie, dass er einen Herzinfarkt erlitten haben könnte.«
    Ms Sedakis schüttelte den Kopf. »In meiner Familie sind Herzprobleme unbekannt. Wir sterben eher an Nierengeschichten oder Krebs.«
    Sie unterhielten sich noch eine Weile, und als Lucas keine Fragen mehr einfielen, setzte sie sich in den Wagen und lenkte ihn auf den Feldweg.
    »Interessant«, bemerkte Childress. »Ich habe noch nie in einem Mordfall ermittelt … Meinen Sie, es könnte sich um einen Mord handeln?«
    »Das werde ich früher oder später herausfinden. Spätestens wenn seine Leiche auftaucht.«
    »Meistens tauchen sie auf«, sagte Childress. »Aber manchmal bleiben sie auch unten. Zu kalt zum Verrotten, keine Bakterien, also wippen sie auf und ab wie Korken, die Brille auf der Nase … Das ist wie in einer Geschichte von Stephen King.«
    »Mann«, sagte Lucas. »Schreiben Sie gerade ein Drehbuch, oder was?«
    Hansons Anglerfreunde Cole und Kushner wohnten etwa fünf Kilometer entfernt, auf einer anderen Halbinsel, nur wenige

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