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Zorn

Zorn

Titel: Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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abwegig ist die Theorie nicht, aber nicht sehr wahrscheinlich. Er könnte natürlich drei Angelruten gehabt, einen Fisch erwischt und sich zu weit rausgebeugt haben, um ihn aus dem Wasser zu ziehen. Dabei könnte ihm schwindlig geworden sein. Obwohl es gar nicht so leicht ist, aus einem Boot zu fallen, passiert es immer wieder, aus keinem besonderen Grund. Wie alt war er? Könnte er einen Herzinfarkt gehabt haben?«
    »Keine Ahnung. Hast du heute dein Boot dabei?«
    »Natürlich nicht. Ich bin ja im Auftrag der Regierung unterwegs«, erklärte Virgil.
    Lucas legte auf und überlegte – es handelte sich um einen merkwürdigen Tod, der zu einem merkwürdigen Zeitpunkt eingetreten war. Er rief Del an. »Ich fahre rauf zu Hansons Hütte und rede mit den Nachbarn.«
    »Warum?«
    »Weil das alles ist, was ich habe«, antwortete Lucas. »Ich fische im Trüben.«
    »Was soll ich in der Zwischenzeit machen?«
    »Nachdenken. Was wir brauchen, sind zündende Ideen … Du könntest noch mal mit Don Brett reden. Rauskriegen, woher Fell ihn kennt. Wenn du das rausfinden könntest …«
    »Hätten wir ihn.«
    »Ja, genau.« Lucas sah auf seine Uhr. »Ich fahre nach Hause, packe meine Tasche und mache mich auf den Weg. Bis morgen.«

ZWANZIG
    Lucas ließ sich den Weg zu Hansons Hütte von einem Deputy beschreiben, der ihm erklärte, dass diese vorübergehend versiegelt bleibe, »bis wir wissen, was mit ihm passiert ist. Wenn er in der nächsten Woche nicht auftaucht, lassen wir die Verwandten rein.«
    »Ich muss jetzt rein«, erwiderte Lucas. »Ließe sich das einrichten?«
    »Wann?«
    »Bin schon unterwegs«, sagte Lucas in sein Handy. »Ich verlasse gerade die Twin Cities … Es dürfte ungefähr dreieinhalb Stunden dauern.«
    »Eher vier. Wie fahren Sie? Sind Sie schon mal hier gewesen?«
    »Ja. Ich nehme die 35 zur 33, dann zur 53 und anschließend die 169 bis Tower«, erklärte Lucas.
    »Kurz vor Tower gehen Highway 1 und County Road 77 von der 169 ab. Sie biegen nach links auf die 77 …«
    Hansons Hütte, teilte der Deputy Lucas mit, befinde sich auf einer Halbinsel, die fünfundzwanzig bis dreißig Straßenkilometer nördlich von Tower in den Lake Vermilion hineinrage. Lucas notierte sich alles und sagte: »Bis in ungefähr dreieinhalb Stunden.«
    »Eher in vier«, beharrte der Deputy.
    Eher in vier, dachte Lucas und lehnte sich in den Sitz seines Porsche zurück.
    Die gesamte Fahrt über musste er an Marcy denken; er wurde ihr Bild einfach nicht los, erinnerte sich klar und deutlich an gemeinsame Erlebnisse. Lucas sprach ein kurzes Gebet, dass er Weather nicht überleben möge und auch keines seiner Kinder.
    Wie die meisten intelligenten Menschen besaß Lucas die Fähigkeit, seine Gedanken, Motive und Gefühle zu analysieren. Er wusste, dass er dabei war, die Kontrolle zu verlieren. Alles schien unausweichlich auf den Tod Fells zuzusteuern, egal, wie der sich ereignen würde. Lucas war sich nicht sicher, ob er in der Lage wäre, sich zusammenzureißen, wenn er Fell persönlich begegnete. Sobald er sich eine Konfrontation mit Fell vorstellte, spürte er, wie sein Blutdruck stieg und Adrenalin seinen Körper durchzuckte.
    Es fiel ihm schwer, sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass Marcy nicht mehr lebte und auch nicht zurückkam, wenn er Fell ins Jenseits beförderte. Ganz zu schweigen davon, dass das möglicherweise verheerende Folgen für ihn selbst und seine Familie haben würde.
    Trotzdem sann er auf Rache.
    Der Highway, eine zweispurige Asphaltstraße, führte durch struppige Lärchenwälder um den Lake Vermilion herum, einen der größten Seen im nördlichen Minnesota. Lucas rief Deputy Clark Childress an, als er fünfzehn Minuten von der Abfahrt entfernt war.
    »Sie sind ganz schön schnell«, staunte Childress. »Wir sehen uns dort … Ich bin in Tower und mache mich gleich auf den Weg.«
    Childress hatte unterwegs noch etwas erledigt oder war ein langsamer Fahrer, weil Lucas ihm an der Abfahrt zur 77 begegnete. Als er den Streifenwagen sah, folgte er ihm. Sie fuhren die gewundene 77 entlang, gelangten auf eine schmalere Asphaltstraße und schließlich auf einen Feldweg, der kaum breiter war als der Streifenwagen. Childress lenkte ihn neben eine alte Garage und eine grüne Schindelhütte am See, in den ein Schwimmdock mit einem kieloben liegenden Kajak hineinragte.
    Lucas stieg zur gleichen Zeit aus wie Childress.
    »Wow, ein Cop mit Porsche«, rief Childress. »Das erklärt, wie Sie so schnell hier sein konnten.«

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