Zorn
antwortete Lucas. »Wann treffen wir uns?«
»Hm … um sechs. Nein, warte: um sieben. Im Revier. Und jetzt lass mich schlafen.«
SIEBEN
Fünf Stunden Schlaf reichten nicht, aber der Wecker riss ihn um halb sechs aus dem Tiefschlaf. Lucas wusch sich, zog eine khakifarbene Hose, ein schwarzes Polohemd und eine Sportjacke an, dazu schwarze Uniformschuhe mit Stahlkappen und die Model 40 im Schulterholster.
Im Revier traf er Daniel in seinem Büro an, der gerade seinen Schreibtisch aufräumte und nach Hause gehen wollte.
»Was hat sich getan?«, fragte Lucas.
»Der Polizeichef hat eine Pressekonferenz gegeben, und wir suchen immer noch nach Scrape«, antwortete Daniel. »Auf den Straßen sind fünfzehn Leute unterwegs, und raus kommt dabei absolut nichts. Keine Ahnung, wohin er sich verdrückt hat. Sein Gesicht ist auf allen Fernsehkanälen zu bewundern.«
»Werfen sie uns vor, dass wir ihn haben laufen lassen?«, erkundigte sich Lucas.
»Noch nicht, aber früher oder später werden sie es tun«, antwortete Daniel, kippelte mit dem Stuhl zurück und legte die Füße auf den Schreibtisch. »Der Boss beherrscht den Eiertanz. Er hat es wie ausgezeichnete Polizeiarbeit hingestellt, dass es uns gelungen ist, ihn zu erwischen. Und dass wir ihn freigelassen haben, macht uns zu Bürgerrechtshelden. Im Moment ziehen wir alle am selben Strang, die Bevölkerung und die Polizei.«
»Schade, dass ich nicht dabei war …«, sagte Lucas.
»Eins hat mich das jedenfalls gelehrt: Ich muss den Eiertanz lernen«, stellte Daniel fest. »Was wollen Sie hier?«
»Ich warte auf Del. Wir machen uns noch mal wegen der Sache mit Smith auf den Weg. Diesmal mit einem anderen Ansatz. War Smith ein Held? Das entlockt den Leuten vielleicht mehr. Und wir wollen sehen, was wir über Fell herausfinden können.«
»Viel Glück. Obwohl ich nicht glaube, dass das etwas bringt …«
Del traf gähnend um halb sieben ein und rieb sich das unrasierte Gesicht mit dem Handrücken.
»Du siehst aus wie ein Jagdhund: Dir hängt vor Gier die Zunge raus«, begrüßte er Lucas. »Lass uns irgendwo einen Kaffee holen. Und was essen. Pommes. Dann überlegen wir, wie wir die Sache angehen. Vielleicht machst du in der Zwischenzeit ein paar Liegestütze, um dich abzureagieren.«
»Ich könnte uns Frauen organisieren«, schlug Lucas vor. »Hauptsächlich für dich.«
»Kaffee. Pommes. Warme Gedanken kannst du dir in deiner Freizeit machen.«
»Neid ist was Scheußliches«, stellte Lucas fest. »Aber es gibt staatlich geförderte Programme für solche Behinderungen. Vielleicht suche ich dir eins raus …«
Im Little Wagon bestellten sie Kaffee sowie zwei Shrimps-Körbchen mit Pommes, und Lucas setzte sich eine Weile zu einer Uniformierten namens Sally, um mit ihr über ihren Liebeskummer zu sprechen, bevor er sich wieder zu Del gesellte.
»Was bist du nur für ein Weiberheld …«, brummte Del.
»Hab bloß versucht, ihr zu helfen«, erwiderte Lucas. »Ihr Freund raucht hin und wieder Dope; sie hat den Verdacht, dass er auf die Dealerseite wechselt. Sie spielt mit dem Gedanken, ihn auffliegen zu lassen, und fragt sich, ob das ihrer Beziehung schaden könnte.«
»Zuvor würde ich mich an ihrer Stelle noch mal richtig durchficken lassen«, erklärte Del und kippte eine Viertelflasche Ketchup über seine Pommes. »Aber das ist natürlich die männliche Sicht. Und es setzt voraus, dass der Typ klasse im Bett ist. Angeblich sind die meisten Dealer tolle Hengste.«
»Deswegen kriegst du nie eine Frau. Du betrachtest alles vom männlichen Standpunkt aus«, sagte Lucas, den Mund voll Panade mit wenig Shrimps. »Ich versuche, die Dinge mit weiblichen Augen zu sehen. Deshalb stehen die Damen auf mich. Und weil ich gut ausschaue und Charisma habe.«
»Erstens: Ich hab jede Menge Frauen, und zweitens: Klingt ganz schön zynisch für einen Jungspund wie dich.«
»Ich bin nicht zynisch, sondern aufrichtig«, entgegnete Lucas. »Ich versuche wirklich, die weibliche Perspektive zu verstehen.«
Del wirkte skeptisch.
»Echt«, beteuerte Lucas. »Ich gebe mir Mühe.«
Im Anschluss erzählten sie sich von ihrem jeweiligen Werdegang. Del hatte zwei Jahre College absolviert und war seit neun Jahren bei der Polizei, sechs Monate davon auf Streife.
»Ich hab im Oktober angefangen und im April wieder aufgehört. Das war damals der kälteste Winter seit zwanzig Jahren«, sagte er. »Manche Nächte waren so eisig, dass der Wagen überhaupt nicht warm geworden ist und mir fast
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