Zorn
dass ich noch mal mit Ihnen reden muss. Sonst wandern Sie in den Knast. Ist das klar?«
»Ja. … War er da drin?«
»Irgendjemand ist drin«, antwortete Lucas.
»Bestimmt er. Er kennt sich dort aus.«
»Wie weit geht’s da hinein?«
»Ziemlich weit«, sagte Millard. »Das ist wie eine große Höhle mit Wasser. Wenn es regnet, sollte man nicht drin sein – da staut es sich.«
»Gut, bleiben Sie, wo Sie sind.«
»Haben Sie ein paar Dollar für einen Kaffee?«, fragte Millard. »Ich geh nur rüber zum Lunch Box.«
Lucas spielte mit dem Gedanken, ihn mit Handschellen an die Stoßstange des Jeeps zu fesseln, hatte aber Angst, dass Millard ausrasten und den Wagen zerkratzen würde. Also holte er sein Geld aus der Tasche, stellte fest, dass er einen Zwanziger und einen Zehner hatte, gab den Zehner Millard und steckte den Zwanziger wieder ein.
»Bleiben Sie im Lunch Box«, schärfte er ihm ein.
Lucas rutschte noch einmal die Flussböschung hinunter und rief in das Kanalisationsrohr: »Scrape? Zwingen Sie mich nicht reinzukommen …«
Scrape sollte das Gefühl haben, dass der Ausgang versperrt war, damit Lucas sich ungestört ein Telefon suchen konnte. Wenig später kletterte er die Böschung wieder empor und sah Millard einen Häuserblock entfernt auf dem Weg zum Lunch Box. Lucas überquerte die Straße zu Jay’s Electronic Salvage, wo ein paar Leute Regale mit elektronischem Zubehör durchstöberten. Lucas ging nach hinten, zeigte einem Angestellten seinen Dienstausweis und ließ sich von ihm zum Telefon führen.
Daniel war in seinem Büro.
»Ich glaube, ich weiß, wo Scrape steckt. In einem Abwasserkanal.«
Kurzes Schweigen, dann: »In einem Abwasserkanal?«
»Ja, er ist in einem großen Kanalisationsrohr südlich der Central-Avenue-Brücke, neben dem E-Werk. Wahrscheinlich weitet sich der Tunnel innen zu einer Art Höhle. Wir werden Licht brauchen. Ziemlich viel Licht.«
»Eine Höhle? Kann der Blödmann sich nicht in einem Supermarkt verkriechen? Was soll diese Höhlenscheiße?«, scherzte Daniel.
»Könnte sein, dass in dem Rohr Wasser ist«, teilte Lucas ihm mit. »Wir brauchen Gummistiefel und Leute mit Karten, die sich im Abwassersystem auskennen.«
Eine Stunde, nachdem er Daniel die Koordinaten durchgegeben hatte, trafen sechs Polizisten und vier Kanalisationsexperten mit grünen Gummistiefeln ein. Daniel, der einen Anzug trug, hatte keine Lust, in die Höhle zu gehen. Er warf nur einen Blick auf den Eingang.
»Ich bin ein Schreibtischmensch«, erklärte er Lucas. »Und Sie eher der zupackende Typ, der in Müllcontainer und Abwasserkanäle klettert.«
Einer der Abwasserleute hatte ein überzähliges Paar Gummistiefel dabei, die Lucas zwar zu groß waren, aber besser als nichts. Sloan trug Galoschen, die Leute von der Kanalisation hatten Arbeitslampen, Instrumente zur Feststellung von giftigen Gasen und Karten dabei.
Einer von ihnen, er hieß Chip, breitete die Karten auf der Kühlerhaube von Lucas’ Jeep aus. »Das ist kein richtiger Abwasserkanal; der Kanal gehört zum Abwassersystem des alten Kraftwerks, das vor Jahren stillgelegt wurde.«
»Wieso kennen Sie sich dann damit aus?«, erkundigte sich einer der Polizisten.
»Es gibt von der Erosion verursachte Verbindungen zum städtischen Tunnelsystem. Sobald wir das nötige Geld haben, wollen wir sie schließen. Es hat schon Penner gegeben, die sich darin vom Fluss einen Kilometer weit raufgearbeitet haben und dann mitten auf der Straße bei einem Kanaldeckel rausgeklettert sind.« Er erklärte den Polizisten, die ihm über die Schulter blickten, die Abwasserkanäle, die aus der Stadt heraus und zum Fluss führten. »Das Kraftwerk befindet sich hier.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf die Stelle. »Da gibt es unterschiedliche Ebenen und alte, ausrangierte Maschinen. Möglicherweise versteckt sich der Mann, den Sie suchen, dort – wir haben da drin Asche von Lagerfeuern und Müll gefunden. Hier wären noch eine abgebröckelte Mauer und ein Spalt im Felsen.« Er markierte die Stelle mit dem Daumennagel. »Wenn er durch den Spalt in das Abwassersystem gelangt ist, kann er ziemlich weit nach hinten vordringen und durch einen lockeren Kanaldeckel wieder rauskommen.«
»Wie sieht der Boden in den Kanälen aus?«, fragte Lucas. »Ist der mit Sand oder Wasser oder irgendwas anderem bedeckt?«
»Ein bisschen Wasser und immer auch Sand … Es hat lange nicht geregnet, also dürfte sich auf dem Boden eine dünne Sandschicht befinden.«
»Was
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