Zorn
anrufen? Ich könnte mir vorstellen, dass die sich für den Fall interessieren.«
»Im Moment kann ich noch nicht offiziell mit den Medien sprechen«, erklärte Lucas. »Wenn Sie sie kontaktieren und die einen Film drehen wollen, lassen Sie es mich bitte wissen. Es wäre nicht gerade förderlich, wenn dieser Fell ihn sieht. Außerdem sollten Sie Marcy Sherrill anrufen, die Leiterin der Mordkommission in Minneapolis. Sie kann Ihnen bestimmt Ratschläge geben. Vergessen Sie nicht, dass Sie möglicherweise die einzige lebende Person sind, die in der Lage ist, ihn zu identifizieren.«
»Ich glaube, wir kommen allein zurecht«, sagte Todd Barker breit grinsend. »Sehen Sie sich um – in diesem Raum befinden sich vier Waffen. Eine von ihnen habe ich innerhalb von zwei Sekunden in der Hand.«
Lucas nickte. »Hoffentlich bleibt Ihnen im Ernstfall so viel Zeit.«
»Zwei Sekunden sind nichts«, erklärte Todd.
»Der durchschnittliche Highschool-Junge läuft hundert Meter in zwölf Sekunden«, sagte Lucas. »Das sind umgerechnet fünfzehn Meter in zwei Sekunden … so weit wie von Ihrer Haustür zum Hof.«
»Meinen Sie, ich sollte mir eine Schrotflinte zulegen?«, erkundigte sich Barker.
»Gute Türschlösser fände ich vernünftiger«, antwortete Lucas.
Lucas ging zu seinem Porsche. Waffenliebhaber machten ihn nervös, weil er das Gefühl hatte, dass sie immer nach einem Ziel Ausschau hielten und stets die gleiche Litanei herunterbeteten: »Es ist besser, eine Waffe zu haben und nicht zu brauchen, als eine zu brauchen und sie nicht zu haben.«
Außerdem machten sie sich Illusionen, wenn sie glaubten, allein zurechtzukommen: Lauerte einem in der Nacht irgendein Arschloch mit einer Schrotflinte hinter einem Busch auf, wurde man erschossen, Punkt.
Lucas hatte in seinem Leben schon einige Menschen erschossen und feststellen müssen, dass das viel Papierkram und manchmal sogar Gerichtsverfahren nach sich zog. Alles in allem war es ihm lieber, wenn er nicht schießen musste. Lucas war die Jagd auf den Verbrecher wichtiger als das Schießen.
Er spürte, wie sich sein Puls beschleunigte.
Weil er Witterung aufgenommen hatte. John Fell war mit achtzigprozentiger Wahrscheinlichkeit der Mann, der Barker angegriffen hatte. Lucas konnte zur Jagd blasen.
ELF
Del spielte gerade an einer neuen Kamera herum, als Lucas am nächsten Morgen hereinkam. »Der verdammte Flowers hat mich neugierig gemacht«, erklärte Del. »Ich hab mich für einen Abendkurs in Fotografie eingeschrieben.«
»Ich hab auch eine Kamera, von Weather«, sagte Lucas. »Ist interessant. Hätte gern mehr Zeit dafür … Hast du alles erledigt, was du erledigen wolltest?«
»Ja. Was hast du gestern rausgefunden?«
Lucas erzählte ihm von seinem Gespräch mit Marcy Sherrill, von seinen Anrufen bei den Schulen, davon, dass Sandy Kelly Barker ausfindig gemacht und Lucas sich mit Kelly und Todd Barker unterhalten hatte.
»Ich bin mir zu achtzig Prozent sicher, dass Kelly Barker von Fell angegriffen wurde, und zu fünfundneunzig Prozent, dass er die Jones-Mädchen umgebracht hat. Sobald wir einen Namen haben, müssen wir nur noch eine DNS-Probe nehmen und einen Abgleich mit der aus Anoka durchführen lassen«, sagte Lucas.
»Ist keine absolut sichere Methode, ihn wegen der Jones-Morde zu kriegen«, gab Del zu bedenken.
»Damals hast du mir erklärt, wie wichtig Informationen sind. Sobald wir wissen …«
»Bei Dealern und Einbrechern spielt das eine größere Rolle«, sagte Del. »Bei Typen, die fünfmal pro Woche krumme Dinger drehen. Wenn man über die Bescheid weiß, erwischt man sie früher oder später. Bei Tätern, die nur selten zuschlagen oder irgendwann ganz aufgehört haben, sieht die Sache anders aus.«
»Stimmt«, pflichtete Lucas ihm bei. »Aber auch denen kann man auf die Spur kommen.«
Eine Stunde lang diskutierten sie in Lucas’ Büro eine Strategie und erledigten Telefonate. Das erste mit Anoka County, wo Lucas nach einigen Versuchen an einen Detective namens Dave Carson weitergeleitet wurde. Diesem erläuterte Lucas kurz den Fall Jones.
»Damals wurden zwar Gewebeproben gefunden, aber das mit der DNS-Analyse ist leider schiefgegangen«, erklärte Carson. »Das war kurz nach Einrichtung des Labors, und es war nicht viel Gewebe vorhanden. Keine Ahnung, warum’s nicht geklappt hat.«
»Wurden die Proben aufbewahrt?«, fragte Lucas.
»Leider nein, alles weg. Schon ein Jahr später wäre die Technik ausgefeilter gewesen«, sagte
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