Zorn
sie hatte keine Lust mehr auf ein Trophäendasein. Sie war eine Weile mit einem Künstler zusammen gewesen, der sie ein wenig an Davenport erinnerte, eine verrücktere Version von ihm – er war zur gleichen Zeit, als Davenport an der Uni Eishockey gespielt hatte, Ringer gewesen, und als Sportler kannten sie sich.
Der Künstler war … heiß gewesen. Verrückt, ja, aber auch heiß. Nach der Trennung von Marcy hatte er eine Frau geheiratet, die er seit Ewigkeiten kannte, und von Davenport wusste Marcy, dass er mit ihr ein Kind hatte.
Ein Kind.
Sie hätte auch gern ein Kind gehabt … viel Zeit blieb ihr dafür nicht mehr. Rick eignete sich ihrer Ansicht nach nicht als Daddy. Er besaß die Konzentrationsfähigkeit einer Nacktschnecke und wirkte auf sie nicht wie jemand, den man für mitternächtliches Windelwechseln und Fläschchengeben begeistern konnte.
Dann war da noch dieser Orthopäde, der an den Wochenenden auf einer Ranch nördlich der Twin Cities Cowboy spielte. Er war geschieden und machte ihr schöne Augen, und in seiner Gegenwart spürte sie ein leichtes Knistern. Außerdem mochte sie Pferde.
Möglichkeiten.
Sie schaltete lächelnd das Satellitenradio ein. Lucinda Williams sang gerade »Joy«. Wie passend, dachte Marcy …
Während sie auf dem Weg nach Süden war, fuhr der Killer in Bloomington immer wieder unschlüssig an Kelly Barkers Haus vorbei. Wie er sich auch entschied: Er würde warten müssen, bis sie heimkam. Nun wartete er schon so lange, dass allmählich Wut in ihm aufstieg.
Der Killer war mürrisch und jähzornig, das wusste er, und mit dem Alter wurde es nicht besser. Er hatte kein Leben, hatte nie eines gehabt. Er hatte ein Scheißhaus, einen Scheißvan, ein Scheißeinkommen und keine Aussicht auf Besserung dieses Zustands. Er sammelte und verkaufte Trödel, hatte eine kahle Stelle am Oberkopf, die sich mit der Geschwindigkeit eines Buschfeuers ausbreitete. Er war so übergewichtig, dass er kaum noch seinen eigenen Schwanz sah. Trotz seines reifen Alters bekam er immer noch Pickel, und der Kardiologe sagte, dass er, wenn er nicht vierzig Kilo abspeckte, dem Tod geweiht war. Zu allem Überfluss hatte er Schuppen. Schlimm.
Sogar in Thailand spürte er die Geringschätzung und die Verachtung der kleinen Mädchen, die er benutzte. Nicht einmal sie hatten Angst vor ihm.
Vielleicht sollte er sich einfach erschießen … irgendwann.
Irgendwann, denn im Moment war er wütend, und diese Wut wuchs. Er hatte eine Waffe und die Adresse der einzigen Frau, die ihn zweifelsfrei identifizieren konnte.
Als er erneut um den Block herumfuhr, sah er Licht hinter dem Fenster und Schatten hinter dem Vorhang. Sie waren zu Hause.
Gut, dachte er, Zeit, sich eine Strategie zurechtzulegen.
Er drehte noch ein paar Runden, inspizierte die Nachbarn. In der Straße der Barkers war es ruhig, aber in fast allen Häusern brannte Licht. In der Straße hinter der der Barkers standen zwei dunkle Gebäude nebeneinander. Wenn er den Wagen dort abstellte, konnte er seitlich am Haus der Barkers vorbei und zu ihrer Tür schleichen.
Klingeln, das Miststück umbringen und abhauen. Wenn ihr Mann öffnete, würde er ihn mit ein paar Schüssen niederstrecken, sich die Frau vornehmen, sie plattmachen und durch die hintere Tür verschwinden.
Er stellte den Wagen auf einem Parkplatz ab, überlegte und holte schließlich den schwarzen Bart aus dem Handschuhfach. Aus der Nähe konnte er damit niemanden täuschen, aber aus größerer Entfernung taugte er. Er zog das Papier von den Klebestreifen ab, ließ es auf den Boden des Wagens fallen, hielt sich den Bart ans Gesicht, schaute in den Rückspiegel und klebte ihn fest, als er richtig saß.
Fertig.
Er achtete darauf, nichts zu berühren. Die Kugeln sollten für sich sprechen.
Apropos …
Er blickte sich kurz um, damit er sicher sein konnte, dass niemand ihn beobachtete, und holte dann die Kugeln aus dem Magazin der Pistole, um sie einzeln mit einem Papiertaschentuch abzuwischen, bevor er sie eine nach der anderen wieder einlegte, darauf bedacht, sie nicht mehr mit bloßen Händen zu berühren.
Dreizehn Stück.
Kelly Barkers Unglückszahl.
Beim Überqueren der Straße bemerkte Buster Hill: »Wenn man sie im Fernsehen sieht, hat man den Eindruck, dass sie Freude dran hat. Wie lange macht sie das schon? Zwanzig Jahre?«
»Ja, es gefällt ihr«, bestätigte Marcy. »Als Opfer ist man jemand.«
»Bringt Abwechslung ins Leben«, sagte Hill.
»Genau.«
Als sie die Tür
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