zorneskalt: Thriller (German Edition)
nicht«, sagtest du, und ich griff nach der Wasserflasche, legte die kleine Tablette, die schrecklich bitter und chemisch schmeckte, auf meine Zunge und spülte sie ebenfalls hinunter. Zwei Minuten später verließen wir die Toilette und kamen in den Club zurück, ohne zu wissen, was als Nächstes passieren würde.
Die Antwort lautete: eine Ewigkeit lang nichts. Der Club war jetzt voll. Heiße, verschwitzte Körper drängten sich viel zu dicht zusammen, tanzten zu wummernder Musik. Matts rotes Gesicht glänzte in der Hitze, während er hartnäckig bei dir blieb und sich zweifellos fragte, wann die Tablette wirken und dich dazu bringen würde, ihm in die Arme zu sinken. Wir sahen uns immer wieder an. Spürst du schon was? Aber wir schüttelten jedes Mal den Kopf, weil wir uns völlig normal fühlten. Ich begann mich zu fragen, was die ganze Aufregung sollte.
Dann wurde ein Song aufgelegt, den ich nicht kannte, und ich fühlte seinen Beat durch meinen Körper hallen, während sich in meinem Kopf eine flauschige Wärme einnistete, ihn wie flüssiger Samt ausfüllte, der alles glättete, mich beruhigte und alle Sorgen, die ich jemals gehabt hatte, dahinschmelzen ließ. Wenig später wusste ich nicht mehr, wo die Musik aufhörte. Sie schien ein Teil meines Ichs geworden zu sein, und ich konnte nichts anderes tun, als mich ihr hinzugeben.
Ich wandte mich dir zu und sah deine großen, unnatürlich geweiteten Pupillen, als wir uns zulächelten. Dann warst du plötzlich neben mir, und deine Hand in meinem Nacken schickte ein Kribbeln mein ganzes Rückgrat hinunter und in meinen Kopf hinauf. Mein Körper war wunderbar lebendig, auf köstliche Weise für die geringste Berührung empfindlich.
Dann hörten wir die ersten Takte des nächsten Songs, unseres Songs, und konnten nicht zu grinsen aufhören, weil einfach alles zu beschissen gut war, um wahr zu sein. Als hätte jemand die Droge eigens für uns hergestellt und diesen ganzen Abend kosmisch perfekt geplant.
Ich spürte, wie du meine Hand nahmst, und wir wurden wie in einer eigenen kleinen Raumkapsel mitten in das lärmende Herz des Clubs gezogen, wo der Beat unsere Körper erzittern ließ und das Stroboskoplicht auf unseren Lidern tanzte.
Du lehntest dich gegen mich und schriest mir ins Ohr, sodass deine Worte durch meinen Körper vibrierten: » Lass uns dies nie verlieren, Rachel!«
Damit meintest du nicht die Droge, die Musik, so schön das auch alles war. Du sprachst von uns, und dabei ging mir der deutlichste, klarste Gedanke durch den Kopf. Wenn ich dich je verlöre, würde ich mich verlieren.
» Das tun wir nicht, versprochen«, sagte ich. » Ich lasse dich niemals los.«
Wir blieben dort und tanzten miteinander, weil wir nicht aufhören konnten, bis wir uns in eine ruhigere, dunklere Ecke zurückzogen, in der wir uns an die Wand setzen und das Treiben um uns herum genießen konnten. Matt und Scott hatten wir längst in der Menge verloren, aber als ich die beiden erwähnte, zucktest du nur mit den Schultern und schlossest die Augen.
» Unwichtig«, sagtest du und nahmst meine Hand in deine und lehntest den Kopf an meine Schulter. Augenblicke wurden zu Stunden, bis die Hitze endlich wieder aus unseren Körpern wich. Dann waren deine Augen wieder offen, und du sahst auf deine Uhr, als sei dir eben etwas eingefallen. » Scheiße«, sagtest du, aber langsam, verträumt, » bald nehmen wir wieder unsere wahre Gestalt an. Wir müssen gehen.«
Im Freien prickelte die kalte Luft auf unserer Haut. Wir überquerten vom Rauschen und den dunklen Schatten der Brandung angezogen die Straße.
» Halt«, sagtest du, als wir über den Kiesstrand stolperten. » Sieh sie dir an.« Deine erhobene Hand zeigte gen Himmel. » Siehst du, wie groß sie heute Nacht sind?«
Ich ließ mich zu Boden sinken und sah zu den Sternen auf. Sie wirkten riesig, waren uns so nahe, dass ich dachte, sie könnten vom Himmel fallen.
Während über uns die Lichter tanzten, setztest du dich an den Strand neben mich. Und wir ließen uns zurücksinken, reckten die Arme hoch in den schwarzen Himmel, streckten sie höher und höher aus, als wir je für möglich gehalten hätten. Und dann spürten wir, wie Elektrizität auf unsere Fingerspitzen übersprang und heiß durch unsere Körper flutete. Ganz in unserer Nähe brachen sich kleine Wellen am Strand, und wir schworen einander, wir hätten beide einen Stern berührt.
14
Montagmorgen, wieder in der Redaktion, und dein Name wurde erneut gesendet,
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