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zorneskalt: Thriller (German Edition)

zorneskalt: Thriller (German Edition)

Titel: zorneskalt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colette McBeth
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könnten uns verstehen und einander helfen, und sah nur allzu klar, dass die Schatten unserer Vergangenheit weiter zwischen uns aufragten.
    » Entschuldigung angenommen«, sagte ich langsam, um Sarah die Initiative zu überlassen. Sie erzählte mir, sie sei nochmals von der Polizei befragt worden, habe aber nichts Neues über dich gehört. Sie wollte wissen, was ich seither getrieben hatte.
    Ich ertrinke.
    Ich ertrinke langsam.
    » Ach, weißt du, nicht allzu viel. Kann mich im Augenblick auf nichts konzentrieren«, sagte ich.
    » Ich weiß, was du meinst. Sag mal, Rachel, dich stört’s doch hoffentlich nicht, wenn ich dich ab und zu anrufe?«, fragte sie. » Ich denke, dass du bestimmt mehr Informationen bekommst als ich.«
    Ich zögerte, dann gab ich nach. » Kein Problem«, sagte ich, weil ich fest damit rechnete, nie wieder von ihr zu hören. » Also bis bald.«
    Ich legte auf und versank in einem großen schwarzen Loch aus Leere.
    Durch eine Ironie des Schicksals wären Jonny und ich an diesem Wochenende ohnehin nicht zusammen gewesen. Er hätte in Afghanistan sein sollen, was auch schwierig gewesen wäre, aber jemanden zu vermissen, dessen Abwesenheit einen Zweck hat, war meilenweit von dieser Folter entfernt. In meiner Welt hatte sich eine riesige Erdspalte aufgetan und die beiden mir liebsten Menschen verschlungen. Trotzdem hatte ich irgendwie nicht das leiseste Beben gespürt, bis es zu spät gewesen war.
    Ich erinnere mich, dass dies ein Wochenende mit Frösteln und Husten und Schmerzen war. Mein Hals war entzündet, mein Körper fühlte sich an, als wäre er auf der Streckbank misshandelt worden. Ich trug mehrere Lagen Kleidungsstücke übereinander, Wolljacken, Socken, Hausschuhe, stellte die Heizung voll an und konnte die Kälte trotzdem nicht aus meinen Knochen vertreiben. Ich schlug mir hemmungslos den Bauch voll, wie ich’s seit Jahren nicht mehr getan hatte: Pizza zum Mitnehmen, Thaigerichte, Currys, Kekse aus dem Küchenschrank, was immer ich in die Hände bekam, alles, um das in meinem Inneren gähnende riesige Loch zu füllen. Zuletzt wurde mir schlecht, worauf ich mich noch elender fühlte.
    Meine Gedanken waren chaotisch, meine Emotionen schwankten zwischen blindem Zorn und völliger Verzweiflung. Ich wusste nicht, was ich empfinden sollte: Verwüstung, Trauer oder Verrat. Letzten Endes empfand ich alles drei.
    In den seltenen ruhigen Momenten führte ich Fantasiegespräche mit Jonny, in denen er mich (nachdem er mit weit ausgebreiteten Armen hereingestürmt war) hochriss und überall küsste und mit einer harmlosen Erklärung und einer Entschuldigung, weil er sich nicht gemeldet hatte, meinem Elend ein Ende machte. Als mir jedoch keine harmlose Erklärung einfallen wollte und ich anfing, mich vor lauter Frust blutig zu kratzen, setzte erneut Verwirrung ein. Um nicht den Verstand zu verlieren, zwang ich mich dazu, an etwas anderes zu denken. Meine Gedanken wandten sich dir zu, Clara.
    Als Erstes fiel mir der Song ein, den ich summte, bevor ich überhaupt erkannte, welcher es war, und dann blinkte sein Titel in meinem Kopf wie eine Leuchtreklame, und ich musste über die darin liegende herrliche, groteske, verdammt komische Ironie laut lachen. Der Song unseres Sommers 1995: » Missing« von Everything But The Girl.
    Erinnerst du dich noch an diese verrückte Zeit, Clara, als wir noch nicht ganz erwachsen, aber auch eindeutig keine Kinder mehr waren? Wir gaben Take That für DJ s und Dance-Mixe auf und nahmen uns vor, dies sei der Sommer, in dem wir es (minderjährig) in den Zap Club schaffen würden.
    Davon redeten wir seit Monaten, aber wir hatten nie den Mut aufgebracht, allein hinzugehen und vor einer Schlange aus coolen Leuten als zu jung zurückgewiesen zu werden. Aber dann sagte Matt aus der elften Klasse, der sich um dich bemühte, er kenne jemanden an der Tür, Paul Oakenfold werde auftreten, ob wir nicht hinwollten?
    Das war in den Sommerferien, wir hatten die ganze Woche am Strand gefaulenzt und auf dem Old Pier Eis am Stiel von Fab gegessen – schnell, bevor es wegschmolz. Der Kokosölduft unserer Sonnencreme folgte uns überallhin wie meine Sonnenmilch mit Lichtschutzfaktor 25 und der breitkrempige Sonnenhut, den ich trug, weil ich hoffte, dann weniger Sommersprossen im Gesicht zu bekommen.
    Als die Tage verstrichen, redeten wir fast nur noch von Samstagabend; was wir anziehen würden, was wir deinem Dad erzählen würden, damit er uns erlaubte, später als sonst heimzukommen.

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