zorneskalt: Thriller (German Edition)
Spalten darunter waren für kritische Kommentare reserviert. Ich spürte, wie Robbie mich anstarrte, als erwarte er zumindest eine Träne, eine Gefühlsregung, weil Jonny fort und du irgendwo dort draußen warst. Weil alle Zeitungen die Story brachten, vor der es kein Entrinnen gab. Tatsache war jedoch, dass ich gelernt hatte, damit umzugehen, und neue Kraftreserven entdeckt hatte. Das tun Leute unter Stress, nicht wahr?
Wir saßen schweigend inmitten des Geplauders und des Zischens der Kaffeemaschine und der verstohlenen Blicke, die Leute mir zuwarfen, die auf dem Weg zurück in die Redaktion über mich klatschen würden. Ich sah zu, wie Robbie sein Schinkensandwich aß, und gab vor, ein Feature über Erstgebärende über vierzig zu lesen. In Wirklichkeit probte ich jedoch die Argumente, mit denen ich ihn überzeugen wollte.
Irgendwann leckte er sich schmatzend jeden Finger einzeln ab, wischte sich mit einer ketchupbefleckten Serviette über den Mund und lehnte sich zurück.
» Amber Corrigan gibt uns ein Interview«, erklärte ich ihm. Das stimmte natürlich nicht ganz. Bis dahin hatte sie nicht zugestimmt, aber eine Lüge ist keine, wenn man sie Wahrheit werden lassen kann. Und ich konnte das.
Robbie setzte sich auf. Seine anfängliche Aufregung wich einem fast ängstlichen Blick.
» Du kannst das nicht machen«, sagte er.
» Nein, aber jemand anders«, sagte ich und fügte leiser hinzu: » Ich wäre nur im Hintergrund.«
Robbie wand sich auf seinem Stuhl. Er wusste, dass es völlig falsch war, mich auch nur in die Nähe der Story kommen zu lassen – vor allem jetzt, nach Jonnys Tod –, aber ich konnte sehen, wie die Räder in seinem Kopf arbeiteten.
» Offiziell würdest du natürlich nichts von meiner Beteiligung wissen.«
» Diese Amber, sie würde mit sonst keinem reden?«, fragte er und knüllte die Serviette mit seinen dicken Händen zusammen.
Ich schüttelte den Kopf. » Sonst wäre ich nicht zu dir gekommen. Hör zu«, fuhr ich flüsternd fort, » es ist keineswegs ideal, das weiß ich selbst. Aber Amber gehört zu den letzten Leuten, die Clara gesehen haben. Ein Interview mit ihr könnte ein paar Erinnerungen anstoßen. Sie ist schließlich meine Freundin, und ich würde alles tun, um mitzuhelfen, sie zu finden, zumal die Polizei nicht allzu gut weiterzukommen scheint.« Ich tippte mit dem Zeigefinger auf die Zeitung.
» Wen schlägst du vor?« Er erwärmte sich für meine Idee, weil sein Hunger nach einem Exklusivinterview stärker als irgendwelche ethischen Bedenken war.
Ich machte eine kurze Pause, bevor ich’s ihm sagte. » Jane Fenchurch. Sie wäre ideal.«
» Soll das ein Witz sein?«
» Hör zu, klar ist sie keine gottverdammte Kate Adie, das weiß ich selbst, aber mit der richtigen Unterstützung könnte sie was Anständiges abliefern. Ich biete dir ein Interview mit Amber Corrigan an. Jane ist ruhig, unaufdringlich, und ich denke, dass Amber sich für sie erwärmen könnte. Wen willst du sonst hinschicken? Doch wohl kaum Richard, nachdem er neulich echt Scheiße gebaut hat. Ich kann Jane coachen, ihr die richtigen Fragen einsagen. Verlass dich auf mich«, sagte ich und sah ihn zusammenzucken, als sein Handy blinkte. » Wenn wir gleich losfahren, könnten wir’s heute Nachmittag im Kasten haben.« Ich nahm die Zeitung vom Tisch, faltete si e zusammen und steckte sie in meine Umhängetasche.
Robbie fuhr sich über die feuchte Stirn und nahm den Anruf entgegen. » Augenblick«, blaffte er. Dann nickte er zustimmend. » Aber überlass sie um Himmels willen nicht sich selbst«, fügte er hinzu, während er das Telefonmikrofon mit einer Pranke zuhielt.
Ich fand sie in der hintersten Ecke der Redaktion, wo sie mit hochgezogenen Schultern versuchte, sich in einer Zeitung zu verkriechen. Ich empfand kurz Mitleid mit ihr. Für die meisten Redakteure war sie längst unsichtbar: das neueste Opfer eines Systems, das junge Reporter wegen der geringsten Verfehlung zerfleischte und ausspuckte. Oft war nicht einmal klar, was sie überhaupt falsch gemacht hatten. Je nach Laune des zuständigen Redakteurs wurden Karrieren gemacht oder beendet.
Jane Fenchurch glaubte vermutlich, die Jacke mit Leopardendruck hätte ihr den Rest gegeben, aber das war nur eine bequeme Ausrede gewesen. Sie war nur eine von vielen unscheinbaren Blondinen, die es nicht geschafft hatten, sich rechtzeitig einen Namen zu machen.
» Jane«, sagte ich, und sie zuckte hinter ihrer Zeitung zusammen. Sie blickte zu mir auf,
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