zorneskalt: Thriller (German Edition)
Gedanken durch Osmose zu ihren geworden.
» War das okay?«, fragte sie schließlich, und ich war mir sicher, dass sie insgeheim mit ihrer Vorstellung zufrieden war.
» Perfekt«, sagte ich. Weil es das war, Clara.
In der Küche war der Teekessel aufgesetzt. Ich hörte Ambers und Janes Stimmen, die über die jeweiligen Vorzüge von Yoga und Pilates diskutierten. Ich packte das Funkmikrofon wieder ein und kennzeichnete sorgfältig da s I nterviewband. Dann schlich ich den Korridor entlang.
Weißt du noch, wie ich mich darüber beschwert habe, dass das Bad mit der lauten Toilettenspülung gleich neben deinem Schlafzimmer lag? An diesem Tag war ich froh darüber. Dass die beiden Räume nebeneinanderlagen, wäre eine gute Tarnung gewesen, falls Amber mich gesehen hätte, was sie zum Glück aber nicht tat.
Die Tür deines Zimmers war nur angelehnt. Ich stieß sie auf, achtete dabei auf vielleicht knarrende Angeln. An der Rückwand des Zimmers hing ein riesiges Gemälde, das ich als deine abstrakte Interpretation des alten Piers erkannte. » Meine beste Arbeit«, hattest du mir mal erklärt, und ich hatte zustimmen müssen. Es hatte etwas Hypnotisches an sich: die Rot-, Purpur- und Orangetöne eines in Flammen stehenden Sommerhimmels, Flammen, die an dem verkohlten und verbogenen Gitterwerk des alten Piers leckten. Unter dem Bild waren Jeans und eine Jacke nachlässig über einen Stuhl geworfen, rosa Converse lagen auf dem Fußboden, der schwere Vanillegeruch war hier drinnen stärker. Und auf der zerschrammten Kommode neben dem Kleiderschrank standen gerahmte Fotos – eines von dir und deinem Vater an einem mir unbekannten Strand. Er stand hinter dir, hatte die Hände auf deine Schultern gelegt. Fleecejacken, von Wind und Wetter gebräunte Gesichter, in der Sonne zusammengekniffene Augen. Das nächste Foto zeigte deinen Dad allein – in derselben Fleecejacke, vor einer gelben Strandhütte und über einen Campingkocher gebeugt. Das letzte ältere Foto, das ich nicht kannte, schien aus den Achtzigern zu stammen und zeigte ein Kleinkind. Die Augen waren unverkennbar deine.
Im Hintergrund hörte ich beruhigende Laute: Amber und Jane und in Bechern klappernde Teelöffel. Ich griff in meine Umhängetasche, zog das Foto heraus und stellte es zwischen die anderen. Dann schlich ich so leise hinaus, wie ich hereingekommen war.
» Großartig wären ein paar Aufnahmen von Claras Gemälden«, sagte ich mit einem Teebecher zwischen den Händen. » Das gäbe den Leuten ein Gefühl dafür, wer sie ist, wisst ihr, nicht nur diese Vermisste .«
Amber strahlte. » Klasse Idee! Hier hängen gleich zwei«, sagte sie und deutete darauf.
» Ihr Lieblingsbild ist das vom West Pier. Meines übrigens auch«, sagte ich. » Schade, dass sie nicht dazu gekommen ist, es aufzuhängen.«
» Es hängt in ihrem Zimmer«, sagte Amber und zögerte. Sie sah erst mich, dann Jane an. » Ich weiß nicht, ob wir dort einfach reingehen dürfen …«
» Wir bräuchten nicht reinzugehen. Wir könnten das Bild von der Tür aus heranzoomen.« Es war Jane, die mich mit ihrem unverlangten Vorschlag überraschte.
» Großartige Idee«, sagte ich und sah, wie Jane, die sehr mit sich zufrieden zu sein schien, aufstand und nach der Kamera greifen wollte.
» Trink deinen Tee«, sagte ich mit einer Hand auf ihrer Schulter. » Ich mache inzwischen ein paar Aufnahmen.«
Ich ging zur Tür deines Zimmers zurück und schraubte die Kamera auf ein kleines Stativ. Die erste Einstellung zeigte nur das Gemälde, das ich langsam heranzoomte. Die zweite begann mit dem West Pier und endete mit einem Schwenk zu den gerahmten Fotos darunter. Als ich fertig war, steckte ich das eine, das ich mitgebracht hatte, zurück in meine Tasche.
Auf der Rückfahrt nach London nannte ich Jane die Direktdurchwahl von Detective Chief Inspector Gunn. » Nagle ihn auf Ambers Aussagen fest«, sagte ich, » und frag auch gleich nach dem Obduktionsergebnis, solange du ihn am Apparat hast.« Es war noch nicht bekannt gegeben worden, aber damit war in den nächsten Stunden zu rechnen.
Ich spürte, wie Jane steif wurde. » Du weißt noch nicht, wie Jonny gestorben ist?«, fragte sie stockend. Wir standen in Brighton auf der Lewes Road stadtauswärts an einer Ampel. Ich sah zu ihr hinüber, aber sie suchte keinen Blickkontakt, sondern malte stattdessen Blümchen auf ihren Notizblock.
» Doch, das weiß ich«, sagte ich. » Aber du musst es auf offiziellem Weg erfahren.«
Sie hob den Kopf, aber
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