zorneskalt: Thriller (German Edition)
dann sah sie sich um, ob vielleicht jemand anders gemeint wäre. » Ich bin Rachel«, sagte ich lächelnd. » Schnapp deine Sachen, wir sind unterwegs zu einer Story.«
Wir saßen im Auto und verließen London auf der A40, als ich Jane den Zweck unserer Fahrt erklärte. Sie war bereits mit unserer Story und meiner Verbindung dazu vertraut und reagierte darauf leicht verlegen, wie man es täte, wenn man von einer Unbekannten aufgefordert würde, eine intime Szene zu beobachten. » Die Sache ist heikel«, erklärte ich ihr. » Sagen wir einfach, dass meine heutige Beteiligung unter dem Radar bleiben muss.« Wir standen an einer Ampel, und als ich mich ihr zuwandte, war ihr unscheinbar blasses Gesicht vor Aufregung gerötet. » Ich verlasse mich darauf, dass du niemandem sagst, dass ich mit dabei war.«
Sie schüttelte energisch den Kopf. » Kein Sterbenswort«, sagte sie mit Verschwörermiene. Wie ich vorausgesagt hatte, konnte Jane Fenchurch es sich nicht leisten, allzu viele Fragen zu stellen.
» Wenn wir ankommen, überlass das Reden mir«, wies ich sie an.
Ich klingelte bei Nummer 25. Das war deine Wohnung, Clara, und auch Ambers. Ich begann zu fürchten, sie würde nicht da sein, ich hätte Robbie zu viel versprochen und Jane umsonst hierhergeschleppt. Ich erinnerte mich, dass du mal erwähnt hattest, sie arbeite zu Hause, schreibe Zeitschriftenartikel, und dachte an die aus ihrem Rucksack ragende Yogamatte, diese Andeutung von lockerer Zeiteinteilung, die zu freiberuflicher Arbeit gehörte.
Keine Antwort. Ich klingelte nochmals. Dann eine Stimme, ein gedämpftes » Hallo?«
» Ich bin’s«, sagte ich. » Rachel, Claras Freundin.«
Ich wartete darauf, dass ihre Stimme aus der Gegensprechanlage kam, dass der Türsummer ertönte.
Auf dem Platz war eine Politesse unterwegs auf der Suche nach ihrem nächsten Opfer. Eine Möwe stieß herab, um auf einen im Rinnstein liegenden Müllbeutel einzuhacken, und flog mit einem Hühnerbein im Schnabel davon.
Und dann hörte ich das Zzzz des Türöffners, und wir waren drin. Auf dem Fußboden der kleinen Eingangshalle lag eine Handvoll unabgeholter Briefe. Ich überflog sie rasch, aber keiner war für dich. Auf dem Weg zur Treppe blieb Jane etwas hinter mir. Ihre Nervosität, ihr Widerstreben waren deutlich zu spüren.
» Vielleicht ist’s am besten, wenn du dich erst mal zurückhältst und das Reden mir überlässt«, schlug ich vor und sah ihre große Erleichterung.
Ambers blasses Gesicht erwartete uns in der Tür, als wir deine Wohnung erreichten. Obwohl unser letztes Treffen erst eine Woche zurücklag, fiel mir auf, wie übermüdet sie aussah, was für dunkle Schatten sie unter den Augen hatte. Sie trug enge Jeans, die an knochigen Hüften anlagen, und einen zu kurzen roten Wollpullover, der einen Streifen ihres eingesunkenen Bauchs sehen ließ. Ihr blondes Haar war vom Duschen feucht. Arme Amber, dachte ich, muss sich die Wohnung mit deinem Geist teilen. Mein Magen rebellierte kurz, als ich mir vorstellte, was ich zu tun im Begriff war. Aber das verging gleich wieder. Es gibt Augenblicke, in denen der Zweck die Mittel heiligt, und dies war einer davon.
» Amber«, sagte ich – nach drei Treppen leicht außer Atem. Ich küsste sie auf die Wangen, spürte ihr feuchtes Haar an meinem Gesicht. » Du scheinst überrascht zu sein, uns zu sehen.«
» Ich hab dich nicht erwartet«, antwortete sie. Sie wirkte wie ein in der Falle sitzendes, ängstliches Tier.
» O Gott«, rief ich aus. » Sag bloß nicht, dass Hilary dich nicht angerufen hat.«
» Hilary?«
» Die Polizei-Pressesprecherin. Sie sollte anrufen und dir Bescheid geben.« Ich trat einen halben Schritt von der Tür zurück und bedeckte meinen Mund mit der Hand. » Verdammt, das ist echt peinlich.«
» Wieso sollte sie mich anrufen?«, fragte Amber abwehrend. » Ich habe der Polizei alles gesagt, was ich weiß.«
Ich schüttelte seufzend den Kopf. » Vielleicht gehen wir lieber und kommen ein andermal wieder …«, sagte ich und wich einen weiteren halben Schritt zurück. » Ich wusste natürlich, dass das keine gute Idee war, aber ich wollte nur …« Ich machte eine Pause.
» Erzähl mir einfach, was sie wollte.«
» Ich habe sie gewarnt, das sei zu viel verlangt, aber du gehörst nun mal zu den letzten Leuten, die sie gesehen haben, und die Polizei …« Ich zog den zusammengefalteten Daily Telegraph aus meiner Umhängetasche und drückte ihn Amber in die Hand. » Sie braucht wirklich alle Hilfe,
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