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zorneskalt: Thriller (German Edition)

zorneskalt: Thriller (German Edition)

Titel: zorneskalt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colette McBeth
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erste Reaktion war, Amber müsse uns verpfiffen haben, weil wir es mit der Wahrheit nicht allzu genau genommen hatten, als wir sie zu dem Interview überredeten. Stattdessen brauchte Hilary meine Hilfe, die ich bereitwillig gewährte.
    Ich erreichte die » Crimewatch«-Studios in der White City, einen würfelförmigen weißen Bau am Rand von Shepherd’s Bush, sehr frühzeitig. Schloss man die Augen, konnte man sich fast einbilden, das Tosen des Verkehrs von und nach London auf der A40 wäre Brandungsrauschen. Ich sah zum Himmel auf, so klar, so optimistisch blau, und dankte meinem Schutzengel dafür, dass mir solch eine Gelegenheit in den Schoß gefallen war.
    Nicht dass ich keine Nerven gezeigt hätte. Als ich auf das über dem Eingang hängende riesige BBC -Zeichen zuging, merkte ich, dass ich unruhig war. Ja, ich hatte reichlich Erfahrung damit, vor Kameras zu stehen und live zu sprechen – so viel Erfahrung, dass mich wenig aus der Ruhe bringen konnte. Ich stellte Fragen, entlockte widerstrebenden Interviewpartnern Antworten. Ich schrieb meine Skripts, gliederte meine Reportagen selbst. Aber genau das war das Problem. Diesmal würden die Rollen vertauscht sein. Und ich würde die Leitung einer Frau überlassen müssen, die ich nicht kannte.
    Nach zwei Telefonaten mit Sally McDonald hatte ich mir vorgestellt, sie wäre Mitte zwanzig. Ihre muntere schottische Stimme und ihre Art, » Hal lo « zu trällern, suggerierte jugendlichen Enthusiasmus, der bei erfahreneren Produzenten nicht mehr vorkam. Deshalb war ich überrascht, als mich am Empfang eine ziemlich mollige Endvierzigerin begrüßte. » Hal lo, Rachel«, sagte sie etwas zu laut. » Tragen Sie sich nur rasch ein, dann können wir rauffahren und loslegen.« Sie musste gemerkt haben, dass ihr Tonfall zu jovial war, denn sie fügte mit mitleidigem Blick hinzu: » In Brighton filmen sie heute die Rekonstruktion. Hoffentlich bringt die uns weiter.«
    Im Aufzug erzählte sie mir, sie hätten eine junge Frau gefunden, die praktisch deine Doppelgängerin sei und dich spielen werde. Sie nehmen möglichst immer Angehörige oder Freunde, aber du hast keine Schwestern, die infrage gekommen wären, und wir sehen uns nicht ähnlich. Anderes Haar, unterschiedliche Größe. Und ich bin jetzt natürlich schlanker als du.
    Ich folgte Sally in ein Studio, in dem die Crew, ein Kameramann und ein Tontechniker, uns erwartete. Die Beleuchtung war absichtlich schwach; sie bestand nur aus einer mit Folie abgedeckten Speziallampe. Das ergab eine stimmungsvolle Atmosphäre, die auch wir oft zu erzeugen versuchten, auch wenn der Zeitdruck, unter dem wir arbeiteten, es nur selten zuließ.
    Sally fragte mich, ob ich etwas Make-up auflegen wolle, und wirkte überrascht, als ich ablehnte. Ich wollte meiner Rolle entsprechend aussehen, Clara: die schwer geprüfte Freundin, die dich verzweifelt sucht.
    » Können wir gleich anfangen?«, fragte ich. » Ich muss zurück zur Arbeit.«
    Sally stellte mir einige naheliegende Fragen, aber nach der dritten war klar, dass ich nicht die gewünschten Antworten lieferte. » Entschuldigung«, sagte sie, » aber ich möchte Ihnen jede Frage mehrmals stellen, damit ich die beste Antwort auswählen kann.«
    Sie schien vergessen zu haben, wen sie vor sich hatte. Diese Ausrede benutzte ich täglich selbst, wenn ein Interviewpartner nicht lieferte, was ich brauchte.
    Allerdings machte mir das nichts aus. Sally hätte mir dieselbe Frage hundertmal stellen können und von mir dieselbe Antwort bekommen. Das war ein Trick, den ich bei Interviews mit Politikern gelernt hatte: scheinbar auf die Frage eingehen, dann sagen, was man wirklich will. Bietet man keine alternative Antwort an, bleibt dem Interviewer nichts anderes übrig, als die zu nehmen, auf die man sich festgelegt hat.
    Sally machte über eine halbe Stunde lang weiter, und natürlich variierte ich meine Worte ein wenig, damit nicht der Eindruck entstand, ich läse einen Text ab, aber die Botschaft blieb trotzdem gleich.
    Sally: Fällt Ihnen jemand ein, der Clara etwas würde antun wollen?
    Ich: Niemand würde Clara etwas antun wollen! Sie ist jemand, der umsorgt werden muss, der in einem den Wunsch weckt, für sie zu sorgen. Und falls sie dort draußen ist und zuhört, was sie hoffentlich tut, soll sie wissen, dass ich nie aufhören werde, sie zu suchen, niemals. Ich werde sie finden, und wenn’s das Letzte ist, was ich im Leben tue.
    Ich machte eine Pause, spielte zum Anschein nervös mit den

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