zorneskalt: Thriller (German Edition)
nicht ignorieren, weil ich mich weiter an die Hoffnung klammerte, sie könnte mich irgendwann doch einmal mit nützlichen Informationen anrufen.
» Na, wie geht’s, Rachel?«, fragte sie.
» Ach, weißt du, ich komme zurecht«, sagte ich mit schwacher Stimme und entfernte mich von Jake und dem Klappern von Geschirr.
» Ich wollte fragen, ob du durch die Arbeit irgendwas gehört hast, aber vermutlich hast du dir ein paar Tage freigenommen. Um Abstand zu bekommen.«
» Ich arbeite weiter. Das lenkt mich am besten ab«, sagte ich.
» Scheiße, sei nicht so streng mit dir selbst!« Sie machte eine Pause. » Dann hast du sicher von dem Interview gewusst, das diese blöde Amber-Kuh gegeben hat? In dem sie Andeutungen gemacht hat, Clara könnte sich umgebracht haben? Als ob sie das wüsste! Manche Leute tun eben alles, um ins Fernsehen zu kommen.«
» Ich glaube, sie wollte einfach nur helfen.«
» Ja, klar, aber mit uns anderen Suchplakate kleben wollte sie nicht.«
Als ich noch darüber staunte, wie Sarahs vergnügte » Hi Babe«-Unbeschwertheit blitzschnell in beißenden Sarkasmus umgeschlagen war, fiel Jake ein Kochtopf zu Boden.
» Bist du zu Hause?«, fragte sie in wieder fröhlichem Tonfall.
» Bei einem Freund. Ich lasse mich bemuttern.«
» Sag doch gleich, dass du in Gesellschaft bist, statt mich auf Amber schimpfen zu lassen. Dann will ich euch mal nicht länger stören.«
» Kein Problem«, sagte ich. » Wir sind mit dem Abendessen fertig.«
» Ich rufe in ein paar Tagen wieder an. Pass gut auf dich auf, Babe«, sagte sie und legte auf.
Als die Spätnachrichten kamen, entspannten Jake und ich uns in der behaglichen Wärme, die guter Rotwein erzeugt. Deine Story war jetzt an zweite Stelle gerückt, sie war von der Meldung vom ersten Vogelgrippe-Fall in Großbritannien vom Spitzenplatz verdrängt worden. In Bernard Matthews’ Geflügelfabrik in Norfolk sollte der gesamte Tierbestand gekeult werden. Ich stellte mir vor, wie die zuständigen Redakteure die Zahlen gegeneinander abgewogen hatten: Hundertsechzigtausend tote Vögel gegen eine potenzielle Selbstmörderin. » Aber dies ist der erste Ausbruch von Vogelgrippe in Großbritannien«, würde jemand gesagt haben. » Er betrifft weit mehr unserer Zuschauer als eine Frau, die sich vielleicht das Leben genommen hat.«
Die Vögel hatten letztlich gesiegt, Clara. Tote Truthähne über dich.
Die Nachrichten waren fast zu Ende, schlossen mit der Rubrik » Zu guter Letzt«, die über eine Rekordwoche am Kunstmarkt berichtete, auf dem Werke von Degas und Renoir und Warhol bei Versteigerungen Höchstpreise erzielt hatten, als das Handy in meiner Tasche vibrierte.
Die Nachricht lautete einfach:
Ich kriege dich, ob du willst oder nicht.
19
Du würdest ein Kassenschlager werden, Clara. Du würdest in » Crimewatch« auftreten. Weißt du noch, wie wir uns die Sendung ansahen, nach der Nick Ross immer sagte: » Schlafen Sie gut und ohne Albträume«, was jedoch sinnlos war, weil sie nur kurz zuvor gezeigt hatten, wie ein maskierter Eindringling ein altes Ehepaar in seinem Haus ermordete, und man nur denken konnte: Wenn denen das zustoßen konnte, wieso nicht auch mir? Aber wir wären lieber gestorben, als zuzugeben, dass wir vor Angst die Hosen voll hatten, und wenn ich gerade mal bei dir schlief, sagtest du, um mich zu erschrecken, auf der Treppe wären Schritte zu hören, oder erzähltest – noch schlimmer – eine deiner Gespenstergeschichten. Die spannst du so gut aus, dass ich hätte schwören können, die Gespenster schwebten zwischen uns.
Von der geplanten Rekonstruktion erfuhr ich, nachdem ich den Morgen auf dem Polizeirevier Harrow Road verbracht hatte, um einen Einbruch ohne erkennbare Spuren anzuzeigen. Das nötigte dem Beamten, der die Anzeige aufnahm, ein ironisches Lächeln ab. Seine Reaktion auf die schriftlichen Drohungen, die ich erhalten hatte, war weniger demütigend.
Es war Jakes Idee, zur Polizei zu gehen – als Teil seines Vorsatzes, mich dazu zu zwingen, die » Bedrohung« ernst zu nehmen. Das widerstrebte mir zunächst, bis ich erkannte, dass es sogar Vorteile bot. Die Polizei musste meine Anzeige zu Protokoll nehmen. Wenn nicht für jetzt, dann für später.
Draußen auf der Straße, zwischen Hühnerbratereien und Geschäften, die lebensgroße Plüschtiger und Halal-Fleisch verkauften, sah ich auf mein Telefon und stellte fest, dass Hilary Benson mir eine Nachricht hinterlassen und dringend um Rückruf gebeten hatte. Meine
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