zorneskalt: Thriller (German Edition)
ihr Kugelschreiber, der eben ein Blütenblatt zeichnete, blieb aufs Papier gedrückt. » Für dich ist das bestimmt schrecklich. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was du durchmachst.« Ihre Stimme war sanft, samtweich und glatt. Ihre Teilnahme rührte mich, unterbrach meinen Gedankengang.
» Danke, dass du mich nicht verurteilst«, sagte ich. Und das war aufrichtig gemeint. » Ich weiß, dass mein Hiersein und meine Bereitschaft, dir zu helfen, falsch gedeutet werden könnten, aber das ist meine Art, damit fertigzuwerden. Täte ich nichts, würde ich den Verstand verlieren, fürchte ich.«
Die Ampel sprang auf Grün um, und wir fuhren weiter, an Discountern und Schnellrestaurants vorbei. Als wir die A23 erreichten, wählte Jane DCI Gunns Nummer – auf meinen Wunsch mit eingeschaltetem Lautsprecher. Ich hörte sein Telefon viermal klingeln, bevor die vertraute West-Country-Stimme Hallo sagte.
Gunns Tonfall war abrupter, seine Antworten kürzer als sonst. Zweifellos war er ungehalten, weil eine Reporterin, die er nicht kannte, ihn direkt anrief.
Das Obduktionsergebnis werde in ungefähr einer Stunde bekannt gegeben, sagte er und war nicht bereit, Jane vorab zu informieren. Er weigerte sich sogar zu sagen, ob Jonny noch als Verdächtiger geführt werde. Er wollte schon auflegen, als Jane wie beiläufig nachschob, sie habe Amber Corrigan interviewt, und dann das Gesagte ausführlich wiedergab. Danach folgte langes Schweigen.
» Ich möchte mich nicht an Spekulationen beteiligen«, sagte er schließlich, was Polizeijargon für » Verpiss dich« war. Ich war mir sicher, dass Jane sich hierauf bedanken und auflegen und damit unsere Chance auf einen Aufmacher beerdigen würde.
» Sie wissen, dass sie schon früher psychische Probleme hatte?«, fragte sie stattdessen.
» Das wissen wir, ja«, sagte DCI Gunn abwehrend.
» Aber Sie sagen praktisch, dass Sie jeglichen Zusammenhang zwischen dieser Tatsache und ihrem Verschwinden ausschließen?«
» Nein, das habe ich nicht gesagt. Wir ziehen alle Möglichkeiten in Betracht.«
Ich konnte Janes Atemzüge hören, während er sprach. Die Nerven und der unvermeidliche Adrenalinschub, wenn eine gute Story zum Greifen nahe war.
» Es ist also eine von mehreren Möglichkeiten?«, fragte sie nach. Und ich lächelte. Sie gibt nicht auf, dachte ich. Es war falsch, sie zu unterschätzen.
» Ja«, gestand er müde ein, » das habe ich wohl gesagt.«
» Ich danke Ihnen«, sagte Jane, die nebenbei eine ganze Seite in ihrem Notizbuch vollgekritzelt hatte. Und als sie das Gespräch beendete, brauchte ich sie nicht anzusehen, um zu wissen, dass sie zufrieden lächelte. Jane Fenchurch hatte endlich den Durchbruch geschafft.
Auf der restlichen Fahrt diskutierten wir über die Struktur ihres Beitrags, welche Aufnahmen am besten verwendet würden und wie oft Amber selbst zu Wort kommen sollte. Als wir das Studio erreichten, setzte ich sie am Eingang ab, gab ihr das Band mit dem Interview und fuhr davon. Ein paar hundert Meter weiter rief ich Robbie an, um ihn zu informieren und ihm die Story als Aufmacher zu empfehlen. » Jane war große Klasse«, erklärte ich ihm und hörte ihn schnauben. » Du solltest ihr wirklich noch eine Chance geben.«
Ich fuhr zu Jake, der angeboten hatte, abends für mich zu kochen, wohl weil er spürte, dass ich möglichst wenig Zeit allein in meiner Wohnung verbringen wollte.
Während uns der Duft von Zitrone und Salbei und Lammbraten umgab, setzten wir uns mit einem Glas Wein aufs Sofa, um die Abendnachrichten zu sehen. Aus der Tickerzeile wusste ich, dass Janes Story der Aufmacher war. Nun war ich gespannt, ob sie meinen sorgfältig ausgearbeiteten Plan in die Tat umgesetzt hatte.
Ambers sorgenvolles Gesicht war hinter dem Nachrichtensprecher zu sehen, als er die Einführung vorlas: » Nach Auskunft der Brightoner Polizei, die nach der vermissten Künstlerin Clara O’Connor sucht, wird jetzt nicht mehr ausgeschlossen, dass sie Selbstmord verübt haben könnte. Miss O’Connor, die schon früher an Depressionen litt, wird seit fast zwei Wochen vermisst, wie Jane Fenchurch berichtet.«
Danach wieder du, das schon fast berühmte lächelnde Foto, aber diesmal langsam herangezoomt, bis deine dunkelblauen Augen den Bildschirm füllten. Dazu Janes Stimme aus dem Off: » Die ruhelose Künstlerin … deren Freunde fürchten, sie könnte Selbstmord begangen haben.«
Dann ein Schnitt zu Amber Corrigan, die in deinem Wohnzimmer sitzt, so offenkundig dein
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