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Zu cool für dich

Zu cool für dich

Titel: Zu cool für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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verlassen.
    »Ich weiß, warum du so was sagst«, meinte er schließlich. »Aber du vergisst da etwas. Die Liebe kann erstaunliche Dinge vollbringen. Sie ist großartig. Und das ist keine Übertreibung. Es gibt einen Grund für all diese Liebeslieder.«
    Ich sah runter auf meine Hände. »Das sind bloß Lieder, Dexter. Sie bedeuten nichts.«
    Er stand vor mir und nahm meine Hände in seine. »Wir haben das Lied heute Abend nur gesungen, weil wir da oben auf der Bühne fast krepiert wären. Lucas hörte neulich mal, wie ich es vor mich hin summte; das hat ihn zu einem neuen Arrangement inspiriert. Sie wissen nicht, dass es was mit dir zu tun hat. Sie wissen nur, dass die Leute drauf abfahren. Und das ist gut für die Stimmung.«
    »Wahrscheinlich«, meinte ich. »Aber nicht für mich.«
    In dem Moment spürte ich es. Dieses eigenartige Gefühl, das sich immer einstellt, wenn das Schlimmste beim Schlussmachen vorbei ist und man nur noch ein paar Nettigkeiten austauscht, um die Sache abzurunden. Und dann war es vorbei. Wie bei einem Wettrennen, kurz vorm Endspurt. Man läuft über einen Hügel, die Ziellinie kommt in Sicht und man weiß: Die Strecke, die man noch zu bewältigen hat, liegt in ihrer ganzen Länge deutlich sichtbar vor einem. Danach kommt nichts mehr.
    »Es hätte auch ganz anders laufen können mit uns.« Er strich mit seinem Daumen über meinen. »Ich meine, bei den vielen Ehen, die wir beide miterlebt haben. Vielleicht hättest du daran geglaubt und ich hätte dich weggeschickt.«
    »Möglich«, erwiderte ich. Aber ich konnte einfach nicht an die Liebe glauben, jedenfalls nicht so wie er. Nach all den Erfahrungen, die er doch auch gemacht hatte. Wenn man das hinter sich hatte, was wir hinter uns hatten, war man einfach verrückt, sich vorzumachen, es gäbe so was wie »für immer«.
    Er hielt meine Hand immer noch fest, beugte sich vor und küsste mich auf die Stirn. Ich schloss die Augen und drückte meine Zehen ins Gras. Nahm alles in mich auf, das ich an ihm mochte: seinen Geruch, seine schmalen Hüften, seine glatte, weiche Haut an meiner. So viel. In so kurzer Zeit.
    »Wir sehen uns, okay?« Er löste sich von mir.
    Ich nickte. »Okay.«
    Ein letztes Mal drückte er meine Hand, dann ließ er los und ging langsam über die Wiese davon. Seine Füße hinterließen frische Abdrücke im Gras; die von vorhin waren schon nicht mehr zu sehen. Als wäre bis zu dieser Sekunde überhaupt nichts geschehen.
    Ich ging ins Haus, in mein Schlafzimmer, zog mich aus, schlüpfte in ein altes Paar Boxershorts und ein Tanktop. Kroch unter meine Bettdecke. Ich kannte dieses Gefühl. Ich hatte es quasi erfunden   – die Zwei-Uhrnachts-Einsamkeit. Wenn man gerade mit jemandem Schluss gemacht hatte, war sie in der Regel noch schlimmer. In den ersten Stunden, die man wieder offiziell als Single erlebte, kam einem die Welt plötzlich noch größer vor. Schien sich auszudehnen, weil man sie wieder allein bewältigen musste.
    Aus diesem Grund hatte ich vor Urzeiten angefangen mir das Lied anzuhören. Es lenkte mich vom Grübeln ab. Egal, was ich fühlte, wenn ich es hörte   –
Wiegenlied
war das Einzige in meinem Leben, das mir immer geblieben war, selbst wenn Stiefväter, Affären, Häuser wechselten. Die Aufnahme änderte sich nicht, die Worte blieben dieselben, mein Vater holte beim Singen immer an denselben Stellen Luft. Aber jetzt konnte ich mir nicht mal mehr das Lied anhören. Denn in meinemKopf hatte es einen anderen Klang bekommen: spöt tisch , liebevoll, anders. So wie Dexter es heute Abend gesungen hatte, klang es, als hätte es viel mehr Bedeutung. Und es klang fremder.
    Immer wieder kam mir in den Sinn, wie er mich beim Abschied auf die Stirn geküsst hatte. So nett war bisher keine meiner Trennungen abgelaufen. Nicht, dass es deswegen einfacher gewesen wäre. Trotzdem.
    Ich drehte mich auf die Seite, stopfte mir das Kopfkissen in den Nacken und schloss die Augen. Versuchte mich mit anderen Liedern abzulenken: den Beatles, meiner aktuellen Lieblings-CD, Hits aus den Achtzigern, als ich ein Kind gewesen war. Doch immer wieder kehrte Dexters Stimme zu mir zurück und breitete sich über den Worten aus, die ich nur allzu gut kannte. Als ich einschlief, hörte ich ihn noch immer singen, in meinem Kopf. Und das Nächste, an das ich mich erinnerte, war, dass ich aufwachte und es Tag war.



Kapitel Zwölf
    H allo! Wer hat Lust auf
KaBoom
?« Lissa war unermüdlich. Die Sonne knallte vom Himmel, es war weit über

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