Zu cool für dich
aus, wobei er sich ein Hemd überzog. Er warf einen prüfenden Blick in den Außenspiegel,bevor er um den Minibus rumging und aus meinem Blickfeld verschwand.
Es war natürlich nicht das erste Mal, dass ich ihn wiedersah. Schon an dem Morgen, nachdem wir Schluss gemacht hatten, kam er ins
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, als ich mich gerade anstellte, um Lolas allmorgendlichen Cappuccino zu besorgen, und marschierte schnurstracks auf mich zu.
»Ich habe mir überlegt, dass wir auf jeden Fall Freunde bleiben sollten«, verkündete er. Kein Hallo oder Hi oder sonst was.
Augenblicklich schrillte meine innere Alarmglocke los, um mich an das ABC des Schlussmachens zu erinnern, das ich seit ewigen Zeiten predigte. Ausgeschlossen, dachte ich, fragte aber stattdessen erst mal nach: »Freunde?«
»Freunde«, wiederholte er. »Es wäre nämlich jam merschade , wenn wir jetzt das übliche Spiel spielen würden. Du weißt schon: den anderen ignorieren und so tun, als wäre zwischen uns nie was gewesen. Ich finde es viel besser, wir packen das Ganze frontal an und kümmern uns sofort darum, wie’s mit uns beiden weitergeht.«
Ich warf einen Blick auf die Uhr neben der Espressomaschine. Fünf nach neun. »Ist es nicht ein bisschen früh für so was?«, fragte ich.
»Im Gegenteil, je eher, desto besser!«, sagte er laut und deutlich. Ein Mann mit dem Handy am Ohr blickte zu uns rüber. »Wir haben uns gestern Nacht getrennt, stimmt’s?«
»Ja«, antwortete ich betont leise in der Hoffnung, er würde den Wink mit dem Zaunpfahl verstehen. Tat er natürlich nicht.
»Und heute geht es schon los. Wir laufen uns zufällig über den Weg. Das wird uns in diesem Sommer ständig passieren.« Er sprach immer noch sehr laut.
»Da hast du Recht.« Endlich stand ich vorne in der Schlange und konnte dem Typen hinter der Theke zunicken, als er mich fragte, ob ich das Übliche für Lola wollte.
»Deshalb schlage ich vor, wir fangen erst gar nicht an uns aus dem Weg zu gehen oder umeinander rumzuschleichen«, fuhr er fort. »Wir stellen uns der Tatsache, dass es momentan vielleicht noch ein bisschen ungewohnt und blöd ist. Und falls sich einer von uns beiden irgendwann mal unwohl damit fühlt, reden wir drüber und das Problem ist beseitigt, okay? Was denkst du?«
»Ich denke, es wird nicht funktionieren«, antwortete ich.
»Warum nicht?«
»Weil man nicht übergangslos einfach so befreundet sein kann, nachdem man zusammen gewesen ist.« Ich schnappte mir ein paar Servietten. »Das ist eine Illusion. So was behaupten nur Leute, die sich nicht damit abfinden wollen, dass endgültig Schluss ist. Für einen der beiden bedeutet diese Freundschaft außerdem immer mehr als für den anderen. Und wenn demjenigen dann auffällt, dass die Freundschaft eben doch was anderes ist als die Beziehung, die man vorher hatte, muss man quasi noch mal Schluss machen, und das tut dann genauso weh wie beim ersten Mal. Mindestens.«
Er dachte kurz nach. »Okay, ich verstehe. Weil ich derjenige bin, der gern mit dir befreundet sein würde, wäre ich deiner Theorie zufolge auch derjenige, der am Ende leidet. Stimmt’s?«
»Schwer zu sagen.« Ich nahm Lolas Cappuccino, steckte einen Dollarschein in die Trinkgelddose und nickte dem Typen hinter der Theke ein Dankeschön zu. »Wenn es so läuft, wie es meistens läuft – ja.«
»Ich werde dir das Gegenteil beweisen«, meinte er.
»Lass gut sein, Dexter«, antwortete ich sanft, wäh rend wir zusammen zur Tür gingen. Es kam mir absurd vor, so analytisch über das zu sprechen, was letzte Nacht geschehen war. Als wäre es jemand anderem passiert. Und wir stünden nur daneben, um die Ereignisse zu kommentieren.
»Mir ist das aber wichtig.« Er hielt mir die Tür auf. »Ich hasse diese peinlichen Situationen nach einer Trennung. Diese Momente, wenn man sich trifft und nicht weiß, wo man hingucken und was man sagen soll. Und das Gefühl, nirgendwo hingehen zu können, weil du ja auch da sein könntest. Den ganzen Mist möchte ich ausnahmsweise überspringen und mich mit dir darauf einigen, dass wir ab jetzt Freunde sind. Das meine ich todernst.«
Ich sah ihn an. Als wir letzte Nacht in unserem Vorgarten standen, hatte ich mich exakt vor diesem Moment des Wiedersehens gefürchtet. Und ich war ehrlich gesagt ziemlich erleichtert, dass das Schlimmste im Grunde schon vorbei war; das erste Mal »danach« hatten wir jetzt bereits hinter uns. Abhaken, weiterleben. Schluss machen leicht gemacht. Und wirklich effektiv. Keine schlechte
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