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Zu cool für dich

Zu cool für dich

Titel: Zu cool für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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zu heiß.«
    Er sah erst die Tüte an und dann wieder mich. Langsam breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus   – das Lächeln, vor dem ich mich gefürchtet hatte. »Du hast das Besteck für mich gekauft«, sagte er. »Stimmt’s?«
    »Nein«, knurrte ich und kratzte an meinem Nummernschild rum.
    »Doch, hast du!«, johlte er und fing an zu lachen. »Du hast mir Gabeln gekauft. Und Messer. Und Löffel. Weil   ...«
    »Nein!«, rief ich dazwischen.
    »...   du mich liebst!« Er grinste so triumphierend, als hätte er gerade das kniffligste Rätsel aller Zeiten gelöst. Ich merkte, dass ich rot wurde. Blöde Lissa. Ich hätte sie umbringen können.
    »Es war ein Sonderangebot«, sagte ich noch einmal. Als wäre das eine Entschuldigung.
    »Du liebst mich«, meinte er schlicht und nahm die Tüte mit dem Besteck zu seinen übrigen dazu.
    »Hat nur sieben Dollar gekostet«, fügte ich hinzu, doch er marschierte bereits davon. So selbstsicher und eingebildet! »Mann, jetzt kapier endlich, das ist ein ganz billiges Ausverkaufsteil.«
    Er drehte sich nicht um. »Du liebst mich.« Sang es fast. »Du. Liebst. Mich.«
    Als ich dort vor dem gelben Haus stand, vor mir die Stufen zur Veranda, hatte ich zum ersten Mal seit langer Zeit das Gefühl, das Steuer aus der Hand gegeben zu haben. Wie konnte mir das nur passieren? Jahrelang austauschbare Geschenke. CDs, Sweatshirts. Und jetzt plötzlich ein Picknickbesteck   – und schon hatte ich die Kontrolle verloren. Wie war das bloß möglich?
    Dexter stieg die Stufen zur Veranda hoch. Monkey stürmte heraus, wuselte um ihn herum, schnüffelte an den Einkaufstüten. Die beiden gingen wieder ins Haus, die Tür fiel hinter ihnen zu. Ich stand immer noch wie angewurzelt da. Eine innere Stimme sagte mir, ich sollte mich besser sofort umdrehen, zu meinem Wagen gehen, so schnell wie möglich nach Hause fahren, sämtliche Türen und Fenster verriegeln und mich verkriechen, um meine Würde zu bewahren. Um nicht durchzudrehen. Manchmal hat man im Leben ja die Chance aufzuhören, bevor alles richtig angefangen hat. Häufig klappt das sogar noch, wenn man schon mittendrin steckt. Aber manchmal   – und das ist das Ende   – weiß man genau, dass eigentlich noch Zeit genug ist, um sich in Sicherheit zu bringen, und trotzdemkann man sich auch nicht einen Millimeter bewegen.
    Die Tür öffnete sich wieder. Monkey tauchte auf, hechelte mich an. Über seinem Kopf erschien am linken Türrahmen eine Hand, die eine glänzende blaue Gabel hielt. Die Hand wackelte lockend mit der Gabel, als würde sie mir eine Geheimbotschaft in einem supergeheimen Geheimcode mitteilen. Wie lautete der Code? Was bedeutete das Signal? War das überhaupt noch wichtig?
    Die Gabel winkte mir zu. Das ist meine letzte Chance, dachte ich.
    Seufzte tief und stieg die Stufen hoch.
     
    Es gab bestimmte, untrügliche Anzeichen, an denen man jedes Mal erkennen konnte, dass sich meine Mutter bei der Arbeit an einem Roman dem Endspurt nä herte . Zunächst einmal merkte man es daran, dass sie nicht mehr nur von zwölf bis vier am Schreibtisch saß, also zu ihrer normalen Arbeitszeit, sondern praktisch den ganzen Tag. Und die halbe Nacht. Es passierte dann häufig, dass ich mitten in der Nacht vom Klappern der Schreibmaschine wach wurde; wenn ich dann aus dem Fenster blickte, konnte ich Licht sehen, das in lang gezogenen, rechteckigen Streifen aus ihrem Arbeitszimmerfenster auf das Rasenstück neben unserem Haus fiel. Außerdem fing sie an beim Schreiben vor sich hin zu murmeln. Nicht laut genug, als dass man es hätte verstehen können. Es hörte sich eher so an, als wären zwei Personen im Arbeitszimmer: die eine diktierte, die andere tippte wie rasend mit, klickediklick, klickediklack, eine Zeile nach der anderen. Und schließlich das ultimativeSignal: die Beatles. Meine Mutter wusste irgendwann instinktiv, was sie noch schreiben wollte. Die Wörter strömten dann nur noch so aus ihr raus, ungehindert und leicht; sie konnte sie nur noch mit Mühe zurückhalten, gerade eben lang genug, um sie auf Papier zu bringen. In diesen Momenten legte sie die Beatles auf, und die Beatles sangen sie ihrem rauschenden Finale entgegen.
    Es war Mitte Juli. Ich stand oben an der Treppe, rieb mir verschlafen die Augen und wollte gerade runtergehen, frühstücken, da hörte ich es. Jawohl. Paul McCartneys Stimme. Ein Lied von einem der frühen Alben.
    Hinter mir öffnete sich die Tür zur Waranenkammer. Chris, bereits in seiner

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