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Zu einem Mord gehoeren zwei

Titel: Zu einem Mord gehoeren zwei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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abend um diese Zeit, gestern nacht, hatte er nach herber Männlichkeit gerochen, und Claudia, mit der er durch die Bars getanzt war, hatte ihn bewundert. Normalerweise sah er gut aus, und die Frauen mochten ihn. Er entsprach der deutschen Klischeevorstellung von einem Franzosen; er war schlank, schwarzhaarig, grazil in seinen Bewegungen, hatte eine melodische Stimme, ein scharfgeschnittenes Gesicht und ein kräftiges Kinn. So sahen die Westernhelden aus, die Präriestädte von Banditen befreiten, oder edle Römer, die es mit Kleopatra trieben. Es durfte nicht sein, daß dieser vollendete Körper von Kugeln zerfetzt wurde, daß dieses durch und durch geglückte Gesicht nur noch eine wächserne Maske war!
    Er hatte sich oft die Frage gestellt, auf welche Weise er einmal sterben würde. Bei einem Verkehrsunfall, bei einem Flugzeugabsturz, im Altersheim, an Krebs, an einem Herzinfarkt? Die Frage hatte ihn immer wieder nächtelang beschäftigt; erst der Whisky, den er dann trank, hatte ihn befreit. Nun sollte er also diesen lächerlichen Tod erleiden, sollte er sterben, bevor er etwas geworden war. Der Gedanke, als kleiner Mann, als ein gesellschaftliches Nichts von der Bühne abtreten zu müssen, war ihm unerträglich. Bis jetzt hatte er es zu nichts gebracht, bis jetzt hatte er umsonst gelebt. Er war weder wohlhabend noch prominent, noch einflußreich, noch mächtig. Keine Zeitung hatte je seinen Namen gedruckt.
    Ob er mich schon im Morgengrauen erschießt? Oder wartet er noch? Er hätte es gleich tun sollen, dann wäre wenigstens alles überstanden.
    Feuerhahn rief sich all die Tage ins Gedächtnis zurück, an denen er zusammen mit Tomaschewski etwas Besonderes erlebt hatte. Vielleicht ergab sich von da her eine Erklärung für seine Tat, vielleicht ließ sich, wenn man seine tieferen Beweggründe kannte, eine Möglichkeit finden, ihn psychologisch zu überrumpeln.
    Aber sein Nachdenken brachte nicht viel ein. Tomaschewski hatte schon mehrfach etwas gestohlen, einmal 20 Mark aus dem Portemonnaie seiner Mutter, einmal ein Fahrrad und im Ferienlager einen Fußball – aber das besagte doch überhaupt nichts. In der Oberprima hatte er sich für kurze Zeit für Marx und für Proudhon begeistert. Eigentum ist Diebstahl. Aber es war nicht anzunehmen, daß er eine dauerhafte antikapitalistische oder gar anarchistische Grundhaltung entwickelt hatte. Immerhin war es möglich, daß er gewisse bürgerliche Normen, wie etwa die Ehrfurcht vor dem Eigentum, nicht sonderlich stark… Aber was nutzte diese Erkenntnis? Nichts. Im Gegenteil. Falls das alles zutraf, war zu befürchten, daß Tomaschewski es auch mit dem Gebot, das das Töten untersagte, nicht allzu genau nahm.
    Feuerhahn stöhnte auf. Vielleicht hatte sich Tomaschewski mit dieser Tat nur befreien, hatte er die Weichen seines Lebens endlich einmal nach seinem eigenen Willen stellen wollen? Von seiner Geburt an war er ja von anderen gleichsam programmiert worden. Das Möbelhaus Tomaschewski verlangte nach einem Erben; man mußte für seine Belange einen ehrlichen, properen, tüchtigen und cleveren Erben heranziehen, der die gesellschaftlichen Umgangsformen beherrschte, Konversation machen konnte und immer wie ein englischer Börsenmakler gekleidet war. Wie paradox, daß er gerade mit der Tat, die ihn befreien sollte, die Firma zu retten versuchte.
    Mit einem Anflug von Galgenhumor beschloß Feuerhahn, sich diese Gedanken gut zu merken, um sie später einem interessierten Gericht vorzutragen. Nach Lage der Dinge mußte er der Star des Prozesses werden.
    Aber vielleicht gelang es Tomaschewski auch an diesem Ort, ihm die Schau zu stehlen. Tomaschewski hatte immer und überall der erste sein wollen; er hatte es nicht ertragen, wenn andere vor ihm das Ziel erreichten oder besser bewertet wurden. Er war der Reichste in der Klasse gewesen, und seine materiellen Ressourcen hatten es ihm leicht gemacht, sich zum Führer aufzuschwingen. Im Garten dieser Villa hatten sie als Kinder gespielt, später ihre Parties gefeiert und die Schenkel ihrer Freundinnen gestreichelt. Für sie war das hier ein Paradies gewesen. Und ein Wort von Tomaschewski hatte genügt, sie zum langweiligen Dasein eines Großstadtjungen zu verdammen.
    Feuerhahn erinnerte sich noch genau, daß er die ganze Zeit über Tomaschewskis Führungsanspruch bestritten und mit ihm um den ersten Rang ihrer Gruppe gekämpft hatte. Einmal hatte Tomaschewskis Mutter – sein Vater war ja nach einem Bombenangriff bei

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