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Zu einem Mord gehoeren zwei

Titel: Zu einem Mord gehoeren zwei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Schweiß aus allen Poren brach, wie sein Atem nur noch stoßweise ging, wie seine Knie zitterten und wie sein rechtes Augenlid zuckte.
    Wieder hob er die Waffe und nahm Feuerhahns Schläfe ins Visier. Nun schieß doch endlich, du Schlappschwanz! Ein kurzer, scharfer Knall, und alles ist überstanden… Noch immer war er entschlossen genug, es zu tun. Ohne daß er es wollte, begann er zu zählen: Zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier… Tomaschewski hielt inne. Er war einmal dein Freund. Dein bester Freund vielleicht. Du kannst ihn nicht so kaltblütig… Er mußte husten.
    Feuerhahn schreckte hoch. Er war sofort hellwach und erfaßte die Situation. Er schnellte empor, sprang in die hinterste Ecke seiner Zelle und schrie mit sich überschlagender Stimme: «Nein! Nicht schießen – bitte!»
    Tomaschewski ließ langsam die Waffe sinken. Er schämte sich plötzlich. Dann packte ihn die Angst. Maßlose Angst. Er drehte sich um, rannte aus dem Vorraum, keuchte die Kellertreppe hinauf. Er erreichte noch das Bad, brach aber vor der niedrigen Badewanne in die Knie und mußte sich so lange erbrechen, bis nur noch wäßriger Schleim kam. Elend und Selbstmitleid überwältigten ihn. Er wünschte sich, auf der Stelle zu sterben, um endlich aller Qual zu entgehen. Und in seiner Not tat er das, was er seit seinen Kindertagen nicht mehr getan hatte: Er betete. Herr, erlöse mich, dachte er immer wieder, mache allem ein Ende!
    Aber in dem Augenblick, da seine Schwäche ihren Höhepunkt erreicht hatte, wurde ihm plötzlich bewußt, wie weibisch und lächerlich er sich benahm. Angeekelt sprang er auf, würgend spülte er das Erbrochene fort. Warum mußte er so sensibel, so feige, so rührselig sein? Warum war er so geworden, wie er war? Von tausend möglichen Wegen hatte er den schlechtesten eingeschlagen. Nur äußerlich ein Mann, hatte er Angst vor dem Leben, fürchtete er die Last der Tage wie die der Nächte, sehnte sich nach seiner Kindheit und Jugend zurück, wo andere für ihn sorgten und ihm die Wege ebneten. Tausend Ängste und Bedenken lähmten ihn, die Welt war ein dunkler Wald, in dem man sich bei jedem Schritt verirrte. Als Sklave wäre er glücklich gewesen, als freier Mensch aber war er verloren. Er wußte es, er hatte es immer gewußt. Er hatte schon vieles versucht, um ein anderer zu werden, ein Mann zu werden, wie er einer sein wollte – immer vergebens. Und mit dem Bankraub hatte er den gigantischen, in seiner Sicht gigantischen, Versuch unternommen, sich zu befreien. Offenbar vergeblich.
    Oder?
    Er ging in die Küche hinüber und goß sich einen doppelten Cognac ein. Nachdem er kurz daran gerochen hatte, schüttete er ihn mit geschlossenen Augen hinunter. Er stöhnte auf, denn an sich verabscheute er Alkohol; aber das Brennen in der Kehle und die plötzliche Wärme in seinem glucksenden Magen erfüllten ihn mit einem überraschenden Elan. Noch bestimmte er das Gesetz des Handelns. Das wäre doch gelacht!
    Noch etwas knieweich, ging er in sein Arbeitszimmer und ließ sich in seinen drehbaren, kostbar gepolsterten Stuhl fallen. Ohne lange über diesen Schritt nachzudenken, suchte er sich aus dem Telefonbuch die Nummer des Hilton-Hotels heraus, wählte sie mit grimmiger Entschlossenheit und ließ sich, als eine wohlklingende Frauenstimme erklang, mit seinem Onkel verbinden.
    «Tut mir leid, Mister Shaeffy spricht gerade…»
    «Ich warte.»
    Tomaschewski spielte mit seinem Brieföffner, dunkles Elfenbein, von einem Inder kunstvoll geschnitzt. Ein Geburtstagsgeschenk von Susanne, 1959 oder 1960. Susanne, Sue… Sie hatte ihm nie zugetraut, daß er einmal über seinen eigenen Schatten springen würde. Vom ersten Tag ihrer Ehe an hatte sie ihn nie für voll genommen; immer hatte sie ihn spüren lassen, daß er nicht sonderlich schön, intelligent oder männlich war.
    Er hatte es nie fertiggebracht, mehr als einmal am Tag mit ihr zu schlafen, und das auch nicht immer. Sie hatte ihm mitunter voller Hohn und Spott Eier, Selleriesalat und Okasapillen zu essen gegeben. Sie hatte ihm das Rauchen abgewöhnt und das Trinken, hatte ihn davon abgebracht, die Bundesligaspiele im Olympiastadion zu besuchen und einmal in der Woche mit seinen Angestellten zu kegeln. Sie hatte ihn, der dick und schwammig war, in viel zu enge Pariser Anzüge gesteckt und ihm eine zottelige Frisur aufgezwungen, sie hatte dafür gesorgt, daß seine Mutter aus dem Haus verschwand, und sie hatte ihm seine große Modelleisenbahn als zu kindisch

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