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Zu einem Mord gehoeren zwei

Titel: Zu einem Mord gehoeren zwei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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genoppten Stoff der Couch. Der scharfe Geruch von Schweiß und Urin ließ ihn den Kopf zur Seite wenden. Seine Zunge fuhr über die trockenen Lippen, erfaßte ein herabhängendes Haar; er spuckte es aus. Er fühlte sich dreckig, zerlumpt, beschmutzt, heruntergekommen wie ein Clochard. Mein Gott, was ist aus mir geworden, dachte er.
    Er fiel in einen schmerzhaften Halbschlaf. Er lief durch ein verwinkeltes Schloß, verirrte sich im Labyrinth der Gänge und wollte schreien, brachte aber keinen Ton heraus. Er rannte und rannte, aber immer wieder wichen die Türen vor ihm zurück. Endlich konnte er eine Klinke fassen. Keuchend riß er eine reichverzierte Flügeltür auf. Sein Blick irrte durch einen riesigen Spiegelsaal. Da! Rechts in der Ecke stand ein Skelett. Vor seinen Augen überzog sich der blanke Schädel mit Sehnen, Fleisch und Haut. Plötzlich starrte ihm sein eigenes Gesicht entgegen… Er fuhr hoch und schrie seine maßlose Angst in die Dunkelheit hinein.
    Im gleichen Augenblick flammte das Licht auf.
    Die Freude darüber, jäh aufschießend, verjagte das grausige Bild. Ich bin nicht blind geworden, dachte er, ich kann noch sehen, Gott sei Dank! Mit der Helligkeit war die Hoffnung zurückgekommen. Er stand auf, machte ein paar Schritte.
    Aber schon wurde draußen der Schlüssel herumgedreht, und die stählerne Tür sprang auf. Der Henker kommt, schoß es ihm durch den Kopf. Unwillkürlich wich er vom Gitter zurück.
    Was für ein feistes Schwein ist das, dachte er, als Tomaschewski mit einem Teller in der Hand in den Vorraum trat. Ich würde ihn erwürgen, wenn ich nur könnte – eigenhändig erwürgen. Ich habe ihm nie was getan… Er ist alt geworden; sein Gesicht sieht schlimm aus. Verwüstet. Er muß sehr viel getrunken haben. Gerade mal fünfunddreißig Jahre, und schon dieses Doppelkinn… Daß die kleinen blaßblauen Augen ungemein dicht zusammenstanden war ihm noch nie so deutlich ins Bewußtsein gedrungen. Schweinsäuglein. Schwul sah er aus, oder wie ein Eunuch. Nein, mehr wie ein Schlächter. Es mußte ihm Freude machen, den Schweinen die Bolzen in die Stirn zu jagen. Und die vielen Ringe an den Fingern; widerlich. Die Haare lagen fettig auf der schuppigen Kopfhaut – ein fieser Typ! Und das war nun mal mein Freund…!
    «Bist du nun endlich zur Vernunft gekommen?» Feuerhahn trat an die Gittertür.
    Tomaschewski stopfte sich mit der rechten Hand sein Ziertuch tiefer in die Tasche seines dunkelblauen Anzugs. In der linken hielt er ein kleines Tablett, auf dem ein Teller mit Butterbroten, eine schon geöffnete Dose mit rosigen Krabben, eine Tasse mit dampfendem Kaffee und ein großes Glas mit klarem Wasser standen. Daneben lag ein längliches Plastikröhrchen.
    «Schlaftabletten», sagte Tomaschewski langsam.
    «Danke, ich schlafe auch so!»
    «Ich will dir eine Chance geben.»
    «Du willst mir…» Hoffnung flackerte auf.
    «Eine Chance, selber Schluß zu machen.»
    «Ach so…» Feuerhahn wurde bleich; ein Schwindelgefühl packte ihn. Er taumelte gegen das Gitter. «Es wird bald wieder dunkel hier unten…» Tomaschewskis Stimme klang schwach und kläglich, seine Augen schienen feucht zu werden.
    Feuerhahn registrierte es ganz genau. Ein jammervoller Henker, dachte er. Seine Lage war völlig aussichtslos, aber Tomaschewskis sichtbare Schwäche ließ ihn dennoch fieberhaft nach einem Ausweg suchen. Was für ein erbärmlicher Gegner war das – der mußte doch zu überwinden sein! Wie sagte seine Mutter immer: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.
    Die Mutter! Ja, das war die rettende Idee… Alles in ihm jubelte plötzlich. Wenn er Tomaschewskis Stimmung richtig einschätzte, dann mußte es glücken. Er hatte große Mühe, seine Erregung zu verbergen. «Ich tu’s», sagte er. «Bald… Aber laß mich vorher noch ein paar Zeilen an meine Mutter schreiben.»
    «Hm…» Tomaschewski zögerte. «Aber ich will es lesen. Du darfst nichts schreiben, was…»
    «Natürlich nicht! Nur ein paar Zeilen. Ein Lebenszeichen.» Er merkte im gleichen Augenblick, wie unpassend das Wort war.
    «Na schön…»
    Geschafft!
    Tomaschewski stellte das Tablett auf den Boden. Dann riß er zwei kleine Blätter aus seinem Taschenkalender und hielt sie Feuerhahn, zusammen mit einem Kugelschreiber, vor die Gittertür.
    «Danke.» Feuerhahn setzte sich auf die Couch, um zu schreiben. Tomaschewski hatte ihm auch noch einen blauen, leicht zerknitterten Umschlag gegeben, den er in seiner Brieftasche gefunden hatte. Feuerhahn

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