Zu einem Mord gehoeren zwei
irgendwo schmorte. Falls er noch am Leben war… Er haßte diesen Mann, ohne ihm je begegnet zu sein. Und er haßte ihn nicht, weil er den Typ nicht mochte, sondern – schlagartig wurde es ihm klar – aus Neid: Er beneidete Feuerhahn um sein außergewöhnliches Schicksal, um die Schlagzeilen und um die Anteilnahme, die Millionen ihm entgegenbrachten.
Mit gesenktem Kopf, erschrocken über sich selbst, ging Mannhardt zum Lokal zurück, um nach Koch zu sehen. Er fand sich einigermaßen kompliziert, und das paßte ihm nicht.
9
GÜNTHER FEUERHAHN
Minutenlang erfüllte ihn eine rauschhafte Euphorie. Er twistete nach einem alten Schlager und schnippte knallend die Fingerkuppen gegen die Daumenballen. Bald standen ihm Schweißperlen auf der blassen Stirn, und als seine Kräfte unvermittelt schwanden, sank er stöhnend auf die Couch zurück.
Wie spät mochte es sein? Drei Uhr morgens? Oder schon Mittag? Zwölf Uhr mittags… Die Leitmelodie des Films High Noon kam ihm in den Sinn. Wie hieß es doch – Do not forsake me now and ever… Oder so ähnlich. Sein Englisch war nie besonders gut gewesen. Immerhin hatte es ausgereicht, um Maggie zu erobern. Sommer 1968, London. Sie hatten die ausprobierten Stellungen auf einer Liste abgehakt… Gab es überhaupt noch ein London, ein New York, ein Moskau, ein Paris? Seine Mutter sagte immer: Ich glaube nur, was ich mit meinen eigenen Augen sehe.
Mein Gott, was konnte man nur tun, um die Zeit totzuschlagen?! Wie kam man nur von seinen folternden Gedanken los? Er versuchte, sich früher gelernte Gedichte ins Gedächtnis zurückzurufen: Zum Kampf der Wagen und Gesänge, der auf Corinthos Landesenge der Griechen Stämme froh vereint… Corinthos mit C? War das richtig? Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich Damon, den Dolch im Gewande; ihn schlugen die Häscher in Bande. Was wolltest du mit dem Dolche, sprich… Ta-tamtam ta… finster der Wüterich… Aus. Gedichte waren nie seine Stärke gewesen. Cocktailrezepte, ja. Aber Gedichte…
Wenn er doch bloß einen Radioapparat hätte! Aber Tommy wird mir auch keinen geben, dachte er; er war technischen Dingen gegenüber immer sehr mißtrauisch. Er fürchtet wohl, ich könnte einen kleinen Transistorempfänger zum Sender umbauen und Hilferufe morsen… Vielleicht konnte man es wirklich; er glaubte sich zu erinnern, in einem Film… In den Raumschiffen kamen sie ja auch mit winzigen Energiemengen aus. Wie ging denn SOS? ••• --- •••, richtig: dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz. Ein Königreich für einen Sender! Man würde ihn bestimmt anpeilen können… Ach, Quatsch! Nein, er wollte ein Radio, um Musik zu hören – na ja, Nachrichten auch. Aber vor allem wollte er sich ablenken, ohne denken zu müssen.
Seiner Natur nach war Feuerhahn ein ausgeprägter Hedonist, und sein Leben lang hatte er danach gestrebt, sich auf möglichst schnelle und direkte Weise Lustgefühle zu verschaffen. Nur dann war er glücklich, wenn alle seine Sinne von kräftigen Reizen stimuliert wurden. Wo andere Menschen über die ständig zunehmende Reizüberflutung klagten und zum Spezialisten liefen, um sich Tranquilizer verschreiben zu lassen, da fühlte er sich ganz in seinem Element. Und nun dieser Keller hier! Der Geruch modernden Holzes, der Staub, die Nässe der grauweißen Wände, das grelle, kalte Licht, die lastende Stille – eine furchtbare Folter für ihn.
Er dachte an die blonde Claudia, an ihre Rubensfigur. Wenn sie beim Akt über ihm lag… Es freute ihn, daß sein Glied bei diesem Gedanken die Hose spannte. Diese Reaktion erfüllte ihn mit Kraft und Zuversicht. Er legte sich auf die Seite, schloß die Augen und ließ seine Fingerkuppen spielen. Langsam erschienen die Bilder, auf die er so gewartet hatte. Claudia trug einen kurzen Schottenrock. Er küßte sich die weichen Schenkel hinauf. Dann riß er ihren dünnen Slip herunter, schob den Rock vollends hoch und nahm sie. Er keuchte lange, sehr lange, und wollte schon aufgeben – da löste sich seine Spannung endlich. Schwer atmend und schweißbedeckt, genoß er die kurzen Stöße seines Körpers. Vielleicht ist es das letzte Mal… Rasch verdrängte er den unangenehmen Gedanken, wälzte sich auf den Rücken und genoß den langsam verfliegenden Rausch. Er war befriedigt; wohlige Müdigkeit überkam ihn.
So lag er wohl eine halbe Stunde. Dann ekelte er sich vor der unangenehmen Nässe und dem durchdringenden Geruch, den er nun verbreitete, und er erhob sich.
Weitere Kostenlose Bücher