Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zu einem Mord gehoeren zwei

Titel: Zu einem Mord gehoeren zwei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
Vom Netzwerk:
von Feuerhahn und dem Hermsdorfer Bankräuber, keine Spur von Schwandt. Ein schales, ein langweiliges Leben. Man müßte plötzlich ausbrechen, dachte er, ausbrechen wie Gauguin etwa, der kleine Bankangestellte Paul Gauguin, und durch die Welt ziehen, Martinique, Arles, die Südsee sehen und malen, singen, schreiben, lieben, kämpfen, zeugen und erobern.
    Es klopfte. Er knurrte: «Herein!», denn nebenan war eben das Lachen verstummt, und es konnte kein anderer sein als Koch, der nichts mehr liebte als kindische Späße.
    Erst als seine Nasenschleimhäute nicht Kochs überaus süßliches Herren-Eau de Cologne registrierten, sondern einen herben Duft, gemischt aus Alkohol, Tabak und Schweiß, blickte er auf. Unwillkürlich erstarrte er, und während seine Lippen hilflos zuckten, erhob er sich in Zeitlupentempo von seinem grüngepolsterten Stuhl.
    «Schwandt, Sie!?» stieß er schließlich hervor.
    «Erraten, Herr Rat!»
    Mannhardt schluckte. Der Mann, den ganz West-Berlin, den überdies die ganze Bundesrepublik suchte, der kam hereinspaziert wie ein alter Bekannter… «Wie sind Sie denn hierhergekommen?»
    «Mit dem Wagen. Direkt bis vor die Tür.»
    «Setzen Sie sich…» sagte Mannhardt. Er kam sich so dumm und hilflos vor wie ein schüchterner und autoritär erzogener Schüler, der plötzlich in einer leeren Aula von seinem Rektor angesprochen wird. Er wußte einfach nicht, was er sagen sollte. Der Zwang, nun einen witzigen Dialog mit Schwandt zu führen, blockierte ihm die Zunge. Er hatte Dutzende von amerikanischen Krimis gelesen und sich immer wieder vorgenommen, so pointiert und schnoddrig zu reden wie die Helden dort. Aber wenn es dann ernst wurde, fehlten ihm die richtigen Worte im richtigen Augenblick.
    «Ich darf doch rauchen?» Schwandt steckte sich eine filterlose französische Zigarette an.
    «Bitte…» Mannhardt fixierte ihn. Die ersten Assoziationen, die er wie immer sorgsam aus dem Unterbewußtsein hob, waren eindeutig: Hilfsschule; ungelernter Arbeiter; Ober, noch ‘n Pils; Schläger; wieder zwei Nutten aufgerissen; halt die Schnauze, komm, wir gehn mal nach draußen; Hauptsache, die Kohlen stimmen; wieder mal ‘n Ding jedreht … Aber irgendwie faszinierte Schwandt ihn auch.
    «Da staun Sie, daß ich da bin, was?» grinste Schwandt.
    «Zugegeben, ja.» Mannhardt fiel auf, in welch starkem Maße sich Schwandt um gutes Benehmen und hochdeutsche Aussprache bemühte. Offenbar war er am Leitbild eines Gentleman-Gangsters orientiert. Warum nur hatte er sich gestellt? Hatte er keine Chance mehr gesehen?
    «Nun los, nun fragen Sie schon!» Schwandt nahm einen Locher vom Schreibtisch und begann, Löcher in ein herumliegendes DIN-A4-Blatt zu stanzen.
    «Warum sind Sie gekommen?»
    «Ganz Berlin ist ja hinter mir her. Und inzwischen sind es wohl zehntausend Mark Belohnung geworden, oder mehr noch, da kann man auch seinen besten Freunden nicht mehr trauen – und den Weibern erst recht nicht. Irgendwann hätte mich doch jemand verpfiffen. Da bin ich gleich selber gekommen. Die Idioten denken ja alle, ich bin’s gewesen…»
    Mannhardt stutzte. «Sie meinen Hermsdorf? Den Banküberfall, die Entführung?»
    «Was denn sonst?» Schwandt tippte mit dem rechten Zeigefinger gegen die Stirn. «Lesen Sie mal Zeitung. In jedem Wurschtblatt steht ja doppelt und dreifach drin, daß ich’s gewesen bin.»
    «Und?»
    «Die sind ja alle bekloppt!»
    «Wieso?»
    «Weil ich’s nicht war!»
    «Ach nee…»
    «Meinen Sie denn, ich würde jetzt hier sitzen, wenn ich’s getan hätte?»
    «Wer weiß…» Mannhardt hatte Mühe, die überraschende Information zu verarbeiten. Auf der einen Seite war es natürlich positiv zu bewerten, daß Schwandt sich nun im Gewahrsam der Polizei befand, andererseits aber wurmte es ihn, daß er es nicht geschafft hatte, Schwandt von sich aus aufzustöbern und festzunehmen. Im Grunde hatte er sich wieder einmal lächerlich gemacht. «Da bin ich aber auf Ihr Alibi gespannt», sagte er schließlich.
    Schwandt grinste. «Hieb- und stichfest… Meine Schwester hat geheiratet – und ich war Trauzeuge. Als es da draußen in Hermsdorf passiert ist, da war ich zufällig im Standesamt Charlottenburg, denken Sie mal an!»
    Mannhardt griff sich sein Telefonbuch und suchte nach der Nummer des angegebenen Amtes. «Standesämter… hier! Charlottenburg: Ah, gleich das erste! Alt-Lietzow 28… Äh… 340401…» Er wählte sofort und hatte gleich den richtigen Beamten am Apparat. Er nannte Namen und

Weitere Kostenlose Bücher