Zu einem Mord gehoeren zwei
Dienstgrad und schilderte dem anderen sein Problem. Drei Minuten später konnte er die amtliche Auskunft zu den Akten nehmen, daß ein gewisser Thomas Schwandt, geboren am 2.10.1938 in Berlin, in der fraglichen Zeit auf dem Standesamt Charlottenburg als Trauzeuge fungiert hatte. Der Beamte hatte seinen Ausweis in den Händen gehabt, die Unterschrift lag vor.
«Na bitte!» sagte Schwandt, nachdem er Mannhardts Gesichtsausdruck richtig gedeutet hatte.
Mannhardt seufzte und rieb sich die Augen. Wertvolle Stunden waren sinnlos vertan worden; sie hatten den falschen Mann gejagt.
«Damit ist Feuerhahns Schicksal besiegelt», sagte er zu Schwandt. «Sie waren doch ein Freund von ihm – können Sie sich vielleicht denken, wem er da in der Bank in die Arme gelaufen ist…?»
«Nein, beim besten Willen nicht…»
Mannhardt war plötzlich müde, grenzenlos müde. Er gähnte, seine Augen tränten, der Kopf sank ihm fast auf die Brust hinab. Eine Niederlage für ihn – wieder einmal eine Niederlage… Der Mensch Feuerhahn war ihm weiß Gott egal – gestern hatte er ihn gehaßt, aber das war eine flüchtige, aus der Situation erwachsene Regung gewesen; nein, Feuerhahn interessierte ihn nicht. Er empfand es nur als unerträglich, wenn er ein Problem ungelöst lassen mußte. Das war beim Rätselraten so, beim Schachspiel, beim Basteln an seiner Modelleisenbahn und vor allem beim Aufdecken eines Tatzusammenhangs. Er liebte das Lösen von Gleichungen um seiner selbst willen. Nichts konnte ihn stärker befriedigen.
«Sie bleiben noch hier, bis Ihr Alibi endgültig überprüft ist», sagte er zu Schwandt. «Wir müssen mal sehen, ob der Beamte Sie wirklich wiedererkennt. Aber da gibt’s ja sicherlich keine Schwierigkeiten…Ach so: Wofür darf ich Sie denn nun verhaften?»
«Wie bitte?» Schwandt tat erstaunt.
«Mann, Sie werden doch gestern abend nicht ohne jeden Grund getürmt sein! Erinnern Sie sich vielleicht an die Tankstelle am Bahnhof Hohenzollerndamm? Überfall; Tankwart niedergeschlagen, tausend Mark erbeutet… Das ist doch ganz Ihre Handschrift!»
«Aber… Wo denken Sie hin! Seh ich so dußlig aus? Schließlich bin ich auf Bewährung draußen. Ich bin abgehauen, weil ich Angst hatte. Reine Reflexbewegung, nichts weiter. Versetzen Sie sich doch mal in meine Lage! So schön ist es in Tegel nun auch wieder nicht.»
«Trotzdem darf ich Sie bei meinem Kollegen abliefern, denn Sie wissen doch, daß man sich strafbar macht, wenn man sich auf eine solche Art und Weise wie Sie einer Festnahme entzieht! Widerstand gegen die Staatsgewalt. Kommen Sie!»
Nachdem er Schwandt beim zuständigen Kriminalobermeister abgeliefert hatte, ging Mannhardt zu Dr. Weber hinüber und erstattete Bericht.
«Es ist sinnlos, Herr Doktor, wenn nicht noch ein Wunder geschieht… Also, ich für meinen Teil – ich werfe jetzt die Flinte ins Korn!»
«Bleibt uns wohl nur noch das Fernsehen mit seinem Aktenzeichen XY!» spottete Dr. Weber.
Mannhardt sagte müde: «Vielleicht kommen wir ein Stückchen weiter, wenn wir Feuerhahns Leiche…»
«Na, Sie haben vielleicht Nerven! Den Banküberfall können wir nicht mehr rückgängig machen, aber Feuerhahn können wir noch retten. Also: Lassen Sie sich mal was einfallen! Tun Sie was, rotieren Sie!»
Mannhardt ging in sein Büro zurück und breitete die bislang angefallenen Akten vor sich aus, so daß die Kollegen den Eindruck haben mußten, er arbeite fieberhaft. Dann aber zog er das Schubfach unter seiner Schreibtischplatte auf und wandte sich Fontanes Irrungen Wirrungen zu.
Beide waren früh auf, und die Sonne kämpfte noch mit dem Morgennebel, als sie schon die Stiege herabkamen, um unten ihr Frühstück zu nehmen…
Wenn jemand hereinkam, konnte er schnell im Aufstehen mit dem Bauch die Schublade schließen.
11
SUSANNE TOMASCHEWSKI
Was die Nachbarn betraf, hatte sie immer auf Distanz geachtet; so brauchte sie an diesem regnerischen Nachmittag, an dem sie sich in Tomaschewskis Villa schleichen wollte, kaum zu befürchten, daß jemand sie erkennen könnte. Meisels und Jordans, die die angrenzenden Häuser bewohnten, hatten schulpflichtige Kinder und waren sicherlich wie in jedem Jahr nach Italien gefahren. Möglicherweise hätte Dr. Graband von ihr Kenntnis genommen, aber in der Villa schräg gegenüber rührte sich nichts. Es kam ja auch selten vor, daß er vor halb sieben seine nahe gelegene Apotheke verließ.
Am frühen Nachmittag war sie in ihrem weinroten Opel Kadett
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