Zu einem Mord gehoeren zwei
er fähig war, hatten ja die letzten Tage gezeigt… Jens! Seit das mit Jens passiert war, haßte sie Tomaschewski. Und nun hatte er ihr selber die Möglichkeit gegeben, gleichsam die Waffe in die Hand gespielt …
Nun war es soweit.
Formell war sie ja noch immer die junge Frau Tomaschewski, und sie besaß noch sämtliche Schlüssel. Sie war ziemlich sicher, daß niemand sie beobachtete, und so öffnete sie die Gartentür, ohne sich erst nach allen Seiten umzublicken.
Unter tief herabhängenden Birkenzweigen hindurch ging sie auf einem leicht gewundenen Weg zum Haus hinauf. Tomaschewski war nicht zu Hause, das hatte sie vorhin im Verlauf eines Telefonats mit Pannicke erfahren. Er war zu einer Besprechung ins Europa-Center gefahren. Und die Poschmann brauchte am Donnerstag erst sehr viel später aufzukreuzen, das wußte sie von früher her.
Als sie nach dem Sicherheitsschlüssel für die Haustür suchte, fiel ihr das Schlüsselbund auf die grauen Steinplatten. Sie bückte sich, um die Schlüssel aufzuheben, und bemerkte mit einer leichten Gänsehaut, daß in einer flachen Rinne zwischen zwei Platten Dutzende von Ameisen geschäftig hin und her liefen. Ekel packte sie, sie schluckte kurz, um den ungewissen Brechreiz zu überwinden. Sie haßte Ameisen; sie assoziierte nur unangenehme Erlebnisse mit ihnen. Als Kind hatte sie ein Brennglas genommen und alle Ameisen, die sich vor ihren Gängen sehen ließen, zu einem winzigen Wölkchen verdampfen lassen.
Sie öffnete die schwere Eichentür, trat in die dämmrige Diele und schloß leise hinter sich ab. Sicherheitshalber verharrte sie eine Weile reglos und lauschte. Jetzt roch es anders hier, ganz anders. Kein Hauch von Parfüm mehr, sondern der Geruch schmutziger Wäsche. Unter der Flurgarderobe lag ein Haufen verschwitzter Socken… Im Haus rührte sich nichts.
Zwei Schritte, dann hatte sie den Kellereingang erreicht. Sie zog die helle Tür auf, knipste das Licht an und stieg mit tastenden Schritten die schmale Treppe hinunter. Wie mag Günther jetzt aussehen? dachte sie. Wie wird er reagieren? Wird er klug genug sein, um meine Vorschläge anzunehmen? Habe ich den Schurken in ihm richtig erkannt? Wird er so ohne weiteres mitspielen? Sind die Preise, die ich aussetzen kann, wirklich hoch genug?
Ein perfekter Mord.
Er wird mir gelingen.
Jetzt hatte sie im schwachen Schein einer verstaubten Lampe die stählerne Tür erreicht, die den meterdick einbetonierten Tresorraum vom übrigen Keller abtrennte. Ohne sich weiter zu besinnen, steckte sie einen bizarr geformten Schlüssel ins Schloß. Er klemmte ein wenig, aber er paßte. Tomaschewski hatte bestimmt keine Ahnung davon, daß sie diesen Schlüssel noch immer besaß.
Sie zögerte sekundenlang. Und wenn nun alle ihre Kombinationen falsch waren – wenn ein anderer als Tomaschewski Feuerhahn gekidnappt hatte? Du wirst sehen, der Keller ist leer … Ihr Haß hatte sie verführt, den Wunsch als Wirklichkeit zu nehmen.
Unsinn! Entschlossen drehte sie den Schlüssel herum, einmal, zweimal. Sie brauchte alle Kraft, um die schwere Tür zu öffnen.
Feuerhahn schnellte hoch, stürzte zum Gitter, starrte sie an.
Also doch! schoß es ihr durch den Kopf. Bitte, ich hatte recht…
Wie ein Schimpanse im Zoo, wenn die Fütterung beginnt, dachte sie dann. Wie Kaspar Hauser. Ein Fremder blickte sie an. Kaspar Hauser… Ob dieser Mann genügend Format hatte, zu tun, was sie von ihm fordern wollte? Sie hatte es schwer, gegen ihre Erregung anzukämpfen. Verflossen ist das Gold der Tage… Diesen Mann kannte sie nicht, diesen Mann hatte sie nie gesehen.
«Sue!» rief Feuerhahn und packte die Gittertür. «Sue, ich wußte ja, daß du mich hier rausholst!»
Sie bemühte sich, kühl, arrogant und stark zu wirken. «Wieso?» Sie lehnte sich gegen den Türrahmen und zündete sich eine Zigarette an.
Er wurde bleich. «Was denn – steckst du mit ihm unter einer Decke?! Mein Gott! Aber ihr lebt doch getrennt…»
«Stimmt.» Du mußt ihn einschüchtern, dachte sie, einschüchtern und weich machen… «Na und?»
«Hol mich raus, verdammt noch mal! Schnell, beeil dich – ich halt das nicht mehr aus hier!» Er rüttelte an den Stäben.
Sie erinnerte sich an ein kleines Wort, mit dem er des öfteren die Lehrer zur Weißglut gebracht hatte. «Gemach, gemach…»
«Bist du denn verrückt geworden?» schrie er. «Es ist deine verdammte Pflicht und Schuldigkeit, mich hier rauszuholen! Du kommst ins Zuchthaus, wenn du’s nicht tust!»
«So?
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