Zu einem Mord gehoeren zwei
sein. Sollte er doch noch fünf Minuten vor Toresschluß einen Trumpf in die Hand bekommen? Irgendwie fühlte er, daß das die entscheidende Spur war, aber seinem Image als überlegener, weiser und nicht so leicht zu verblüffender Kriminalist war er es wohl schuldig, erst einmal eine gewisse Skepsis… «Also, so ganz überzeugt bin ich noch nicht. Das können doch alles – Pardon! – Hirngespinste sein. Ich meine, jeder von uns braut sich da mal eine makabre Story zusammen. Seine Bank kann ihm plötzlich Geld geliehen haben, oder er gehört nun mal wirklich zu denen, die im Lotto gewinnen… Verstehen Sie mich recht, Frau Tomaschewski; versetzen Sie sich doch auch mal in meine Lage. Ich meine, haben Sie nichts Handfestes – nichts, womit sich eine Vernehmung oder auch eine Haussuchung rechtfertigen ließe?»
Susanne zuckte mit den Schultern. «Ja, wenn man’s genau nimmt … Aber ich dachte mir, Sie wären schon für den kleinsten Hinweis dankbar.»
«Haben Sie Ihren Mann in den letzten Tagen denn mal gesehen? Ist Ihnen was Besonderes an ihm aufgefallen? War er irgendwie verändert?»
«Nein, getroffen habe ich ihn nicht. Ich wohne ja jetzt in Wilmersdorf, in der Kufsteiner Straße…» Sie dachte einen Augenblick nach. Dabei schob sie den schweren Brillantring, der am Ringfinger ihrer linken Hand steckte, wie in großer Erregung hin und her. «Ach so – ich hab Ihnen wohl noch gar nicht gesagt, daß Tomaschewski, daß mein… Mann im Keller seiner Villa einen großen Tresorraum hat. Alles Beton. Sein Vater hat ihn mal als Luftschutzkeller angelegt…»
«Hm… Ja, zur Unterbringung eines Entführten…» Er sah, wie Susanne in ihrer Handtasche kramte. «Suchen Sie was?»
«Ja, ich habe doch zu Hause… Vielleicht überzeugt Sie das… Als ich von meinem Mann weggezogen bin, da habe ich alle Fotoalben mitgenommen. Und hier, das habe ich heute gefunden…» Sie reichte Mannhardt ein vielleicht taschenbuchgroßes Schwarzweißfoto hinüber. «Feuerhahn hat es aufgenommen, in unserem alten Klassenzimmer. Feuerhahn werden Sie noch wiedererkennen, das ist der mit dem großen Zirkel in der Hand… Er hatte ein Stativ, darum ist er selber mit drauf. Tomaschewski steht neben ihm.»
«Ja, natürlich.»
Vor einer langgestreckten Wandtafel, an der neben einem exakt gezeichneten Kegelstumpf die Gleichungstand, waren fünf nachlässig gekleidete, albern grinsende Schüler abgebildet. Viele Pickel, unfertige Gesichter, blonder Bartflaum auf den Oberlippen. Mannhardt hatte für Sekunden den Geruch von Staub, Kreide und säuerlichem Schweiß in der Nase. Offenbar hatte man gerade eine Mathematikstunde überstanden, und Feuerhahn war der Schöpfer des vorbildlichen Kegelstumpfes. Den überdimensionalen hölzernen Zirkel hielt er noch immer in den Händen, allerdings tat er jetzt so, als wollte er dem neben ihm stehenden Tomaschewski die stählerne Spitze wie einen Dolch in den Rücken bohren. Allem Anschein nach spielte er hier den Klassenclown. Er hatte die Zähne gefletscht und rief wahrscheinlich etwas sehr Witziges. ‹Ha, Verruchter!› oder so. Trotz seiner Grimasse war er der weitaus hübscheste der Jungen. Ein wenig südländisch, verhaltene Männlichkeit, eine Spur Zynismus, die heimliche Verlorenheit des großen Einzelgängers. Welch ein Unterschied zu Tomaschewski, dessen Gesicht weich, teigig, schwammig erschien… Mannhardt drehte das Foto herum und las, mit großen und runden Buchstaben geschrieben, fünf Namen: Jeschke, Manni Busch, Tommy, Feuerhahn, Fiffi Fiedler… Tommy?
Mannhardt zuckte unwillkürlich zusammen. «Was denn – Feuerhahn hat ihn Tommy genannt?!»
«Sie haben wohl alle Tommy zu ihm gesagt, Feuerhahn auf alle Fälle; die beiden waren ja ziemlich eng befreundet…»
«Das hätten Sie doch gleich sagen können!» Mannhardt war aufgesprungen. «Tomaschewski – Tommy; klar, das liegt auf der Hand… Wir haben immer gedacht, Tommy käme von Thomas her. Na, da hätten wir ja lange suchen können! Dann werden wir uns mal bei Ihrem Mann umsehen… Sie begleiten uns doch?» Er wollte sie in seiner Nähe haben, so lange es ging.
Sie zögerte ein wenig.
«Es ist ganz ungefährlich, auch wenn Sie recht haben sollten; ich nehme noch einen Kollegen mit… Momentchen bitte!»
Sie stand auf und strich sich ihren Rock glatt. «Wenn Sie meinen…»
«Gleich. Wir fahren gleich los!» Er wollte Kochs Nummer wählen, wie so oft schon, doch er bekam sie nicht mehr zusammen. Bei der fünften Ziffer war
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