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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Anglais schlief vor Ihnen ein, Sir, sonst hätte er Ihre Waffe gehabt.«
    Alle lachten, jedoch nur kurz. Ein jeder war erschöpft und müde, und keiner erfreute sich bester Laune, wie Hayden spürte.
    In der Ferne war das Meer zu sehen, als der Karren eine Anhöhe erreichte. Hayden machte sich bewusst, dass dies jene Gegend sein musste, durch die Hawthorne, Wickham und er einst gestreift waren, nachdem Kapitän Hart sie losgeschickt hatte, die französische Flotte auszuspionieren. Es schien Jahrzehnte her zu sein!
    Wenn er sich nicht irrte, lag die Rade de Brest nur wenige Meilen entfernt – doch die Bucht war groß. Man bräuchte mehr als einen ganzen Tag, um sie zu umrunden.
    Eine halbe Stunde später erkannte Hayden, dass die Franzosen gar nicht nach Brest wollten, zumindest nicht auf dem Landweg. Denn der Kutscher lenkte den Karren eine Anhöhe hinunter zu einem kleinen Dorf an der Küste. Dort lag ein kleines Kriegsschiff der Marine vor Anker. Das Beiboot lag am Strand. Ein Aspirant erwartete das Fuhrwerk und die Reiter bereits.
    »Ist das der Anglais ? Capitaine Charles ’ayden?«, fragte der Junge.
    »Das ist er«, antwortete der befehlshabende Offizier der Armee. »Sie werden ihn und Lieutenant Nadeau an Bord nehmen.«
    Der Marineleutnant sprang von dem Karren und versuchte zu verbergen, wie erschöpft er war. »Und behandeln Sie ihn gut, Sie kleiner Wicht. Ich sage es sonst Ihrem Kapitän. Er hat vielen französischen Seeleuten das Leben gerettet, als wir auf das Riff liefen.«
    Der Junge blickte angesichts des barschen Tons entgeistert drein und nickte bloß.
    »Sie müssen dieses Dokument noch unterzeichnen«, sagte der Armeeoffizier und stieg von seinem Pferd. »Dachten Sie, Sie könnten sich der Sache entziehen?«
    Pflichtbewusst unterschrieb der Marineleutnant, doch die schwelende Rivalität zwischen Marine und Armee war spürbar – genau wie bei uns , dachte Hayden. Kurz darauf wurden Hayden und der Lieutenant zu dem Kriegsschiff gerudert und kletterten an Bord. Matrosen standen mit Eisen bereit, aber Lacrosses Lieutenant trat dazwischen.
    »Das wird nicht nötig sein, glauben Sie mir.«
    Das wiederum schien dem Kommandanten des Schiffes nicht zu gefallen, einem Offizier, der unwesentlich älter als Wickham sein konnte. Er und der Lieutenant zogen sich weiter entlang der Reling zurück und sprachen leise miteinander, doch als sie zurückkamen, teilte der Kommandant seinen Leuten mit, die Eisenfesseln unter Deck zu schaffen. Er verbeugte sich vor Hayden.
    »Willkommen an Bord, Capitaine .«
    »Merci.« Hayden war wirklich überrascht, aber die Fürsprache von Lacrosses Lieutenant schien Wunder gewirkt zu haben. Der Anker wurde eingeholt, das kleine Schiff setzte die Segel. Bei geringem Wind fuhr der Kutter entlang des Küstenverlaufs der Rade de Brest.
    Hayden empfand es als ungerecht, dass sich das Wetter inzwischen so freundlich zeigte. An einem klaren Tag hätte man von der Droits de l’Homme aus die Felsen rechtzeitig entdeckt und keinen Schiffbruch erlitten. Auch dieser Frühlingstag hatte ungewöhnlich schön begonnen. Ein paar Tage war es her, da hatte Hayden noch an der Grenze zum Reich des Todes gestanden. Doch jetzt war er hier, segelte in den Gewässern der Rade de Brest und genoss die leichte, duftende Brise, die vom Land herüberwehte. Schon der nächste Tag könnte voller Gefahren sein, aber während der kommenden Stunden würde ihm kein Leid widerfahren.
    Er fragte sich, was aus Madame Adair geworden war. Waren die Jakobiner wirklich noch in jener Nacht gekommen, wie sie befürchtet hatte? Hatte man sie abgeholt? Bestimmt würde man sie für schuldig befinden. Dann bliebe ihr nur noch die kleine Hoffnung, dass nach der Liebesnacht mit Hayden die Frucht ihres Leibes heranwuchs. All diese Gedanken erfüllten ihn mit Schwermut und verwirrten ihn nur noch mehr, sodass er sie kaum noch ertragen konnte.
    Bald kreisten seine Gedanken wieder um Henrietta und seinen Treuebruch. Wenn man allerdings bedachte, dass eine Frau wie Madame Adair es nicht verdiente, strafrechtlich verfolgt zu werden, hatte Hayden nicht das Gefühl, sich falsch verhalten zu haben. Dennoch verspürte er ein drückendes Schuldgefühl. Zumal seine selbstlose Tat nicht ohne Vergnügen gewesen war – was konnte seine Rechtfertigung da anderes sein als eine Lüge?
    Es dauerte den ganzen Nachmittag, bis das Schiff die Bucht überquert und an einem Marinehafen an der Nordküste angelegt hatte. Die Weiterfahrt verzögerte

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