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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Carthew räusperte sich, sicherte sich die Aufmerksamkeit aller bei Tisch und erhob dann sein Glas. »Sind alle Gläser gefüllt? Dann lasst mich einen Toast aussprechen, der sicherlich Mrs Carthews Zustimmung finden wird. Mögen Mr Beacher und unsere liebe Henrietta mit Kindern gesegnet sein.«
    Alle waren gewillt, darauf anzustoßen. Elizabeth und Robert gingen zu Mrs Carthews Platz, um zum Ausdruck zu bringen, wie sehr sie ihr wünschten, bald Enkelkinder zu haben. In diesem Augenblick trat ein Bediensteter in den Salon, blickte sich kurz nach der Dame des Hauses um und ging direkt zu Mrs Carthew.
    »Entschuldigen Sie die Störung, Ma’am. Aber an der Tür wartet ein Gentleman – ein Marineoffizier. Er bittet um ein Gespräch mit Miss Henrietta und sagt, die Angelegenheit sei von höchster Dringlichkeit.«
    »Wie eigenartig«, sagte Mrs Carthew. »Hat er seinen Namen genannt?«
    »Ja, Ma’am. Charles Hayden.«
    Mrs Carthew fasste sich an die Herzgegend, und obwohl die Dame mehrmals ansetzte, etwas zu erwidern, brachte sie keinen Satz zustande.
    »Ich kümmere mich um den Mann«, bot sich Robert Hertle an, ließ die Hand seiner Frau los und begab sich unverzüglich in die Eingangshalle.
    Mrs Carthew sah ihre Nichte an. »Wer, um alles in der Welt, würde eine solche Behauptung aufstellen?«
    »Ich weiß es nicht, aber wer auch immer dort an der Tür wartet, Kapitän Hertle wird sich der Sache annehmen.«
    Schweigend folgten Mrs Carthew und ihre Nichte Robert zur Tür.
    »Was ist denn, Mutter?«, fragte Cassandra, als ihre Mutter an ihr vorbeieilte. »Ist was passiert?«
    Die Aufregung übertrug sich nun auf alle Anwesenden, und als Elizabeth und Mrs Carthew den Salon verließen, tauschten die anderen fragende Blicke.
    Da man an diesem Abend keine weiteren Gäste erwartete, war die Eingangshalle nur schwach erleuchtet. An der Haustür wartete ein Mann, der jedoch zu dünn war, um Charles Hayden zu sein. Er stand ein wenig vornübergebeugt, wie Elizabeth sofort bemerkte.
    Robert zögerte nicht, sondern trat unverzüglich vor den Fremden, angespannt wegen der Ruhestörung.
    »Robert!«, rief der Fremde. »Gott sei Dank!«
    »Charles …? Oh, mein Gott! Charles!«
    Nach kurzem Zögern umarmten die beiden Freunde sich.
    »Wie kommst du hierher?«, brachte Robert schließlich hervor, während sie sich einander auf den Rücken klopften. »Die Admiralität hat dich für tot erklärt, Charles!«
    »Ja, aber jetzt nicht mehr. Ich werde dir alles erzählen, mein Freund, aber …«
    Elizabeth stand einige Schritte hinter ihrem Mann und hörte, dass die anderen ebenfalls in die Eingangshalle kamen. Röcke raschelten, leises Flüstern erfüllte die Halle. Die Carthews und die Gäste standen dicht beieinander und schauten wie gebannt in Richtung Tür, vor der sich die beiden Männer herzlich begrüßt hatten.
    Als Robert sich aus der Umarmung löste, bemerkte er, dass die anderen sprachlos dastanden. »Henrietta«, sagte er, »es ist Charles – er ist zu uns zurückgekehrt, aufgrund welcher Fügung, vermag ich auch nicht zu sagen.«
    Die Situation war derart unerwartet und gefühlsgeladen, dass zunächst niemand wusste, wie er oder sie sich verhalten, geschweige denn denken sollte.
    Henrietta starrte vollkommen verwundert und ungläubig auf den Mann, der im Halbdunkel neben Robert stand, ehe sie Frank Beacher ansah. Doch ihr Blick wanderte sogleich wieder zu Hayden. Dann, unter den Blicken der anderen, löste sie sich aus ihrer Starre, durcheilte die Eingangshalle wie im Fluge, warf sich in Charles’ Arme und barg ihr Gesicht an seinem Hals. Schweigend hielten sie einander umschlungen.
    Elizabeth warf einen vorsichtigen Blick auf Mr Beacher, der reglos neben Mrs Carthew stand und hilflos und mit offenem Mund das Paar an der Tür anstarrte. Einen Moment lang glaubte Elizabeth, Frank Beachers Seele sei durch diese Mundöffnung entwichen und habe den Körper verlassen – eine äußere Hülle zurücklassend, die der Wind draußen auf der Straße hinwegfegen würde.

K APITEL SIEBZEHN
    Er spürte nur ihren weichen Körper an seiner Brust, nahm den Duft ihres Haars wahr und hörte ihren schnellen Atem. Ihre Brust hob und senkte sich, während Henrietta versuchte, zu Atem zu kommen und ihr Schluchzen zu unterdrücken.
    »Meinen Brief hast du bekommen …?«, wisperte er.
    Sie nickte.
    Gott sei Dank , dachte Hayden, alles wird gut . Wenn ihm jetzt nur ein paar Augenblicke vergönnt wären, allein mit …
    »Henrietta …«, meldete

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