Zu gefährlicher Stunde
stattfinden.
»Gut«, sagte ich. »Bestell doch etwas —
«
»Schon erledigt. Wir haben uns auf
Pizza geeinigt.«
»Kaffee und — «
»Die Kannen sind gefüllt, normal und
koffeinfrei. Kalte Getränke stehen im Kühlschrank.«
Es war fünf nach elf, so blieb mir
genügend Zeit für einen weiteren Zwischenstopp. Ich holte die Akte Aguilar aus
meiner Aktentasche und las nach, wo er wohnte. San Jose Street zwischen
Twenthy-Fourth und Twenty-Fifth Street, also kein großer Umweg.
Das Haus war ein charakterloses Bauwerk
aus den sechziger Jahren: zwei Stockwerke mit schmutzig weißem Putz und
rechteckigen Fenstern. Über und unter den Fenstern verliefen Zierleisten, die
wohl einmal türkis gewesen, nun aber zu einem seltsamen Blauton verblasst
waren. In den Ecken sammelten sich Rostflecken. Sämtliche Vorhänge waren
geschlossen, wohl um den hässlichen Blick auf einen Telegrafenmast und das
scheußliche orangefarbene Haus gegenüber zu verbergen. Eines der drei
Garagentore im Erdgeschoss stand offen, im Radio lief eine Talkshow. Ich ließ
meinen Wagen vor der Einfahrt stehen und steckte den Kopf in die Garage.
Ein rothaariger Mann in schmutziger
Jeans und ölverschmiertem T-Shirt hatte die Hände in die Hüften gestemmt und
schaute wütend in den Motorraum eines alten verbeulten Ford Falcon.
»Scheißding«, murmelte er.
»Entschuldigung.«
Er zuckte zusammen. »Ich bitte
um Entschuldigung, Lady. Hab nicht gesehen, dass jemand hier ist. Aber es ist
trotzdem ein Scheißding.«
Er kräuselte die sommersprossige Nase.
»Ich weiß«, sagte ich und zeigte auf
meinen MG.
»Der sieht immerhin aus wie ein echter
Oldtimer. Meiner dagegen... Egal, das habe ich nun davon, dass ich meinem
Cousin Joey vertraut habe. Er arbeitet bei Xavier Motors, einem
Gebrauchtwagenladen drüben an der South Van Ness. Dieses Ding kam rein — keine
Ahnung, wie die den noch auf den Parkplatz gefahren haben. Joey kriegt ihn
billig, verkauft ihn mir zum Selbstkostenpreis. Will mir helfen, ihn
aufzumöbeln, der Supermechaniker. Klar doch. Seitdem hab ich ihn nicht mehr
gesehen. Können Sie mir sagen, wieso alle Typen, die Joey heißen, solche
Arschlöcher sind?«
Trauer durchzuckte mich, als ich an
meinen Bruder Joey dachte, der sich mit einer Überdosis Drogen und Alkohol das
Leben genommen hatte. Ja, auch er war ein Arschloch gewesen. Ein liebenswertes
Arschloch, aber trotzdem...
»Verdammt«, sagte der Mann und schmiss
den dreckigen Lappen, den er in der Hand hielt, in den Motorraum. »Aber das
wollen Sie sicher gar nicht hören. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich sammle Informationen über Ihren
Nachbarn Alex Aguilar.«
Der Mann runzelte die Stirn. »Aguilar?
Was hat das Schwein jetzt schon wieder angestellt?«
»Warum bezeichnen Sie ihn als Schwein?«
Er trat zurück und hob abwehrend die
Hände. »Mann, Lady, ich weiß nicht mal, wer Sie sind.«
Ich hatte keinen Grund, meine Identität
zu verbergen; dieser Bursche würde Aguilar bestimmt nichts von meinem Besuch
erzählen. Ich reichte ihm meine Karte.
Er las sie und schaute mit funkelnden
Augen hoch. »Hat er Probleme?«
»Kann sein.«
»Schön. Ich heiße übrigens Patrick
Neilan. Wohne unter Aguilar. Was möchten Sie wissen?«
»Fangen wir mit meiner ursprünglichen
Frage an: Warum ist Aguilar ein Schwein?«
»Er wohnt jetzt seit acht, neun Jahren
hier, okay? Und glaubt, das Haus gehöre ihm. Überwacht alles und jeden. Die
Recyclingbehälter kommen genau hierhin; der Müll darf erst morgens raus; bloß
keine Werbesendungen im Flur liegen lassen. Feiert jemand eine Party und macht
ein bisschen Krach, warnt er einen nicht, sondern ruft gleich die Bullen. Er
sitzt am längeren Hebel, weil er Ratsmitglied ist, also kann man sich nicht mal
da über ihn beschweren. Ich hab’s mal beim Vermieter versucht, das hätte ich
lieber lassen sollen.«
»Wie wäre es mit einem Anwalt? Der Typ
verstößt gegen Ihre Rechte.«
»Lady, ich kann mir kaum den Wagen
leisten. Wie soll ich da einen Anwalt bezahlen? Nein, es ist einfacher, die
Lautstärke runterzudrehen.«
»Feiert Aguilar auch Partys?«
»Scheiße noch mal, nein. Ist viel zu
sehr damit beschäftigt, die Welt zu retten.«
»Wie sieht es mit Freundinnen aus?«
»Kommt vor, hält aber nicht lange.«
»Haben Sie ihn letzten Monat mit einer
großen Latina gesehen? Kräftig, mehrere Ohrlöcher, kurzes Haar?«
Er überlegte und schüttelte dann den
Kopf.
»Vielleicht wenn ich Ihnen ein
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