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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Stadtrat.«
    »Und Alex Aguilar hat seine politische
Arbeit so weit ausgebaut, dass er als Kandidat fürs Bürgermeisteramt gilt.«
    »Genau. Aguilar besuchte die High
School in Long Beach, schrieb sich im Herbst danach an der San Diego State ein,
Hauptfach Politikwissenschaft. Brach das Studium nach drei Semestern ab — zu
wenig Geld — , blieb aber in der Gegend und arbeitete als Kellner. Nach
anderthalb Jahren schrieb er sich erneut ein und machte nach sechs Semestern
seinen B.A. Fing unmittelbar nach dem Abschluss als Sozialarbeiter in L.A.
County an.«
    »Haben die meisten Sozialarbeiter nicht
mindestens einen M. A.?«
    »Anscheinend hat Aguilar während des
Studiums als Ehrenamtlicher entsprechende Erfahrungen gesammelt. Und L.A.
County bezahlte damals nicht genug, um Leute mit einem höheren Abschluss
anzulocken. Vor elf Jahren kündigte Aguilar und zog hierher.«
    »Okay, das sind die nackten Fakten.
Aber wie sieht es mit den persönlichen Dingen aus? Wer ist dieser Mann, was
steht hinter der Wahlwerbung und den Presseartikeln? Hat ihn politischer
Ehrgeiz dazu getrieben, den sicheren Job als Sozialarbeiter aufzugeben und ein
Ausbildungszentrum zu gründen? Wie sieht es mit seinem Beziehungsleben aus? Was
sagen Freunde von früher über ihn? Und seine Feinde? Sein Friseur? Sein
Bankberater?«
    Craig runzelte die Stirn. »Nimm’s mir
nicht übel, Shar, aber das hört sich an, als wolltest du eine Vendetta
lostreten.«
    »Na ja, immerhin hat Aguilar eine
Vendetta gegen meine Agentur losgetreten. Julias Verhaftung war eine Sache,
aber er hätte nicht auch noch Beschwerde beim Ministerium einlegen müssen. Er
hätte mich ebenso gut selber fragen können, ob ich von ihren Taten gewusst
habe. Er hätte es respektvoll und sachlich versuchen können, doch das wollte er
anscheinend nicht.«
    »Du hast Recht, seine Reaktion war
reichlich überzogen.«
    »Und das ist noch nicht alles. Ich habe
herausgefunden, dass der private Aguilar sich nicht ganz mit seinem öffentlichen
Image deckt.« Ich erzählte, was ich von seinem Mitbewohner Patrick Neilan
erfahren hatte. »Heute Abend werde ich noch mehr hören, dann rede ich mit den
anderen Mietern. Ich möchte, dass du bis dahin weitergräbst.«
    »Gut. Aber was sollte die Sache mit dem
Gürtel enger schnallen? Ich muss in den Süden fliegen und mich mit den Leuten
aus den anderen Agenturen kurzschließen. Zwei Klienten habe ich schon an Tamara
Corbin weitergeleitet —«
    »Tu, was du für nötig hältst.«
     
    »Shar, das ist Derek Ford.«
    Derek Ford war groß, schlank, bebrillt
und trug einen langen schwarzen Ledermantel mit passender Kappe. Sein glattes
Gesicht wirkte eurasisch. Aus dem Ausschnitt seines schwarzen Seidenhemds lugte
eine Tätowierung mit verschlungenen Skorpionen hervor. Auf den ersten Blick
wirkte er wohlhabend und selbstsicher, und aus seiner Bewerbung wusste ich
bereits, dass er hochintelligent war.
    Und doch sollte er eigentlich nicht
hier sein. Ich hatte Mick gesagt, er solle abwarten, bevor er jemanden für
seine Abteilung einstellte.
    Ich ließ mir nicht anmerken, dass ich
verärgert über meinen Neffen war, streckte die Fland aus und sagte: »Freut
mich, Sie kennen zu lernen, Mr Ford. Ihre Bewerbung hat mich sehr beeindruckt.
Allerdings hätte Mick Ihnen unsere Situation schildern sollen. Wir mussten
leider einen Einstellungsstopp — «
    »Bitte nennen Sie mich Derek«, sagte er
und ergriff meine Hand. »Mick hat mir alles erklärt, es ist mir egal. Ich will
diesen Job unbedingt haben und möchte Ihnen meine Mitarbeit anbieten.
Kostenlos.«
    »Kostenlos?«
    »Ja.«
    »Das ist ja mal was ganz Neues. Nehmen
Sie doch Platz, Derek. Du auch, Mick.« Dann fügte ich hinzu: »Ich bin es nicht
gewöhnt, dass Leute umsonst für mich arbeiten wollen. Können Sie mir das näher
erläutern?«
    »Ich kann es mir leisten, bis Sie Ihre
Probleme gelöst haben. Ich habe beim IT-Boom eine Menge Geld verdient und es
anders als viele Kollegen nicht nur für Zehn-Dollar-Martinis, schnelle Autos
und Koks ausgegeben. Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der Genügsamkeit
als Tugend galt. Meine Eltern waren beide Collegeprofessoren, hatten aber fünf
Kinder und wollten, dass wir alle mindestens einen B.A. machen. Also hat jeder
mitgeholfen. Wenn man nach der Schule Burger brät oder am Wochenende als
Spülhilfe arbeitet, lernt man rasch, den Wert des Geldes zu schätzen.«
    Mir gefiel, was er sagte und dass er
mich bei diesen Worten offen ansah. »Und warum

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