Zu gefährlicher Stunde
aber ich bin noch dran.«
»Du könntest auch versuchen
herauszufinden, in welchen Geschäften Johnny Duarte verreist ist und wohin.
Harriet Leonard erklärte, er habe verängstigt geklungen, und er scheint mir
nicht der Mann zu sein, der sich ohne weiteres einschüchtern lässt. Von ihr
habe ich auch erfahren, dass Duarte tatsächlich bei Heritage Marketing
angestellt ist, um seine Drogengeschäfte zu verschleiern. Du könntest bei der
Firma anfangen.«
Craig nickte. »Was ist mit diesem R.D.?
Der eine Weile bei Aguilar gewohnt hat?«
»Ganz schön schwer, jemanden zu finden,
wenn man nur Personenbeschreibung und Initialen hat«, warf Charlotte ein.
Mick runzelte die Stirn. »Das ist nicht
gesagt.«
»Ach, komm schon, Mick.«
»Wetten?«
»Worum?«
»Ein Essen im Piperade.«
»Die Wette gilt.«
Die beiden wetteten ständig um Essen;
bevor Mick mit meinem Okay zum Aufbau einer Abteilung für Computerforensik auch
eine Gehaltserhöhung bekommen hatte, übernahm er immer besonders schwierige
Aufgaben oder machte Überstunden und ließ sich dafür ins Restaurant einladen.
Nun meldete sich Ted zu Wort. »Shar,
die Akten, die ich kopieren sollte, nachdem deine Aktentasche gestohlen wurde —
ich glaube, das war kein Zufall. Immerhin ging es in einer von ihnen um
Aguilar. Wenn dich nun jemand auf Schritt und Tritt beobachtet?«
Auf die Idee hätte ich auch selbst
kommen können. »Gutes Argument. Sie wurde in der Tat gestohlen, als ich zum
zweiten Mal an jenem Tag Aguilars Wohnhaus aufsuchte.«
»Vielleicht hat Aguilar dich sogar
selbst beobachtet. Wissen wir genau, dass er nach Mittelamerika geflogen ist?«,
fragte Charlotte.
»Sicher sind wir nicht. Craig — «
»Ich kümmere mich darum.«
Julia rutschte in ihrem Sessel herum
und sah mich verstört an.
»Ja, Jules?«
Sie zögerte und zuckte dann die
Achseln. »Ich bin nicht besonders wichtig.«
»Was soll das bitte heißen?«
Sie faltete die Hände und ließ die
Schultern hängen. »Ich mache hier nur meine Ausbildung. Habe noch nicht sehr
viele Fälle bearbeitet und auch keine großen. Ich bin vorbestraft,
alleinerziehende Mutter mit Geldproblemen, ohne Macht oder Einfluss. Nada. Warum also sollte es jemand auf mich abgesehen haben? Wenn es nun gar nichts
mit mir zu tun hat? Wenn derjenige in Wirklichkeit hinter dir her ist?«
Alle Köpfe wandten sich zu ihr.
»Sprich weiter«, bat ich.
»Heute Morgen habe ich noch einmal im ›Private
Investigator Act‹ nachgelesen, vor allem den Teil, in dem es um die Haftung des
Agenturinhabers für die Handlungen seiner Angestellten geht. Wenn der
Staatsanwalt seinen Fall gegen mich gewinnt, wandere ich nur ins Gefängnis. Das
ist zwar schlimm, vor allem, weil ich dann von meinem Sohn getrennt bin, aber
meine Familie würde sich um ihn kümmern, und wenn ich rauskomme, suche ich mir
einen neuen Job.
Aber du, Shar — du verlierst deinen
Beruf und deine Firma, für die du so hart gearbeitet hast. Wenn ich mich an
jemandem rächen wollte, würde ich es genau so machen.«
Natürlich.
»Gute Argumentation, Jules. Diese
Möglichkeit sollten wir unbedingt in Betracht ziehen.«
Sie zuckte erneut die Achseln und
schaute auf ihre Hände, aber ihr Mund verzog sich zu einem kleinen Lächeln.
Ich ging wieder zum Flipchart, wo ein
Pfeil von Alex Aguilar zu Julia zeigte. Nun schrieb ich meinen eigenen Namen
hin und fügte einen Pfeil hinzu.
»Okay, wer ist bereit, Überstunden zu
machen und vielleicht auch am Wochenende zu arbeiten?«
Alle Hände gingen in die Höhe.
Ted schleppte Burger, Pommes frites und
Salat von Miranda’s, unserem Lieblingsimbiss am Hafen, heran. Er stellte
Limonade und Mineralwasser bereit und kochte eine Kanne Kaffee nach der
anderen. Alle meine Mitarbeiter nahmen sich einen bestimmten Zeitabschnitt vor
und gingen die Akten der Agentur durch, suchten nach unzufriedenen Klienten mit
einer denkbaren Verbindung zu Aguilar, Johnny Duarte oder dem geheimnisvollen
R.D. Ich selbst schloss mich im Büro ein und ging im Geiste die Fälle durch,
die ich für die All-Souls-Anwaltskooperative bearbeitet hatte. Der
Aufkaufvertrag, den wir mit den verbleibenden Partnern abgeschlossen hatten, sah
eigentlich vor, dass die Akten in deren Besitz blieben, doch ich hatte meine
behalten. Leider wusste ich nicht mehr, wo sie abgeblieben waren.
Hank Zahn, mein bester Freund und
Gründer von All Souls, würde es womöglich wissen, aber er machte mit seiner Familie
zwei Wochen Urlaub in British Columbia.
Und
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