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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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ich muss hier raus. Könntest
du Sophia nach Hause fahren?«
    »Klar doch.«
    »Finde heraus, was der Arzt gesagt hat,
und ruf mich auf dem Handy an.«
    »Okay. Wo willst du noch hin?«
    »Ich muss ein paar Orte überprüfen.«
    »Nicht allein, Shar. Nicht um diese
Zeit.«
    »Ich bin nicht allein.« Ich klopfte auf
meine Tasche, in der der 357er Magnum steckte. Nachdem ich ihn bei meiner
geplatzten Verabredung mit Johnny Duarte mitgenommen hatte, war ich nicht dazu
gekommen, ihn wieder in den Bürosafe zu legen.

Mittwoch, 23. Juli

 
     
     
     
     
    Ein Uhr fünfundzwanzig. Die gefährliche
Stunde. An einem gefährlichen Ort.
    Eine dunkle Gasse im Mission District,
scheinbar namenlos. In der Nähe lungerten Männer auf den Gehwegen herum, die
mit Drogen handelten und aus in Papier gewickelten Flaschen tranken. Im
Hintergrund heulten Sirenen — Polizei und Krankenwagen, die zum San Francisco
General rasten. Eine hektische Nacht im Bezirk, die Notaufnahme dürfte
mittlerweile von Opfern überquellen. Doch hier in dem engen Durchgang zwischen
zwei Lagerhäusern herrschte tiefe Stille.
    Ich hatte die Hand am Revolver, der im
Außenfach meiner Tasche steckte. Horchte auf das Knirschen meiner Sohlen auf
Schotter und zersplittertem Glas. Der kalte Wind stank nach Müll, Urin und Kot,
er peitschte durch die Gasse und riss mir die Kapuze vom Kopf. Hinter mir auf
der Straße quietschten Reifen, ein leiser Aufprall, dann schoss der Wagen
davon.
    Rechts von mir grenzten einige
heruntergekommene Holzbuden an das Lagerhaus. In einem Fenster glomm der Name
»Sam’s« auf. Ich stieg die drei Stufen zur Tür hinunter und ging hinein. Eine
Theke mit alten Hockern aus Chrom und Vinyl, dahinter ein blinder, gesprungener
Barspiegel. Das einzige Licht kam von einigen Bierwerbeschildern und einer
Glühbirne über der Kasse. Einige uralte Stühle und Tische, eine Musikbox mit
einem »Außer Betrieb«-Schild auf dem Glas, kaputter Linoleumboden — die
absolute Minimalausstattung einer Kneipe, die nur für ernsthafte Säufer und
Drogenkonsumenten gedacht war.
    An einem Tisch erspähte ich den Mann,
nach dem ich suchte: klein, mit Jeans und Jeansjacke, Westernstiefeln und einem
viel zu großen Stetson — Claude Cardenas, Spitzname Cowboy, obwohl er nie auf
einer Ranch, sondern nur auf einer staatlichen Gefängnisfarm gearbeitet hatte.
Claude war ein kleiner Dieb, der ab und zu dealte, gelegentlich als Zuhälter
arbeitete, vor allem aber ein ewiger Verlierer war. Und einer meiner besten
Informanten.
    Er sah mich an, wirkte überrascht,
wandte sich ab. Ich verließ die Kneipe. Nach wenigen Minuten folgte er mir in
die Gasse. Wir trafen uns im Schutz eines Müllcontainers hinter dem Lagerhaus.
Claude zündete sich eine Zigarette an und schlug den Kragen hoch.
    »Lang nicht gesehen, McCone.« Seine
Stimme war rau vom jahrzehntelangen Kettenrauchen.
    »Kann man so sagen.«
    »Aber jetzt brauchst du den Cowboy.«
    »Ja, Claude, so ist es.« Ich holte eine
Kopie des Phantombilds von Reynaldo Dominguez. »Klingelt da was?«
    Er hielt sein Feuerzeug hoch und
blinzelte durch den Rauch. »Kommt mir bekannt vor. Kann sein, dass ich ihn in
einer Absteige an der Army Street gesehen habe. The Viper? Sharl’s? Nein, da
war ich seit über einem Monat nicht. Wo bin ich letzte Woche gewesen? Im Dude’s.
La Cucaracha.«
    »Bist du Sam’s etwa untreu geworden?«
    »Das ist bloß mein Büro. Fürs Vergnügen
geh ich in die besseren Läden. Ich glaube, dein Typ war in gar keiner Kneipe.
Wo war ich denn sonst noch? Auf der Bank. Im Mike’s Burgers. Moment, ich hab’s.
The Cash Cow.«
    »Das Pfandhaus neben dem Mission Street
Safeway?«
    »Ja. Hab da letzte Woche mit Darrin
Boydston geredet. Dein Typ kam rein und wollte sich Waffen ansehen.«
    Ich kannte Darrin Boydston. Der
Pfandleiher war Klient von All Souls gewesen, und ich hatte Rae einmal
abgestellt, um für ihn zu ermitteln. Er war in vieler Hinsicht anständig, aber
bereit, gegen das Gesetz zu verstoßen, wenn der Preis stimmte. Vermutlich hatte
der Cowboy ihm Hehlerware angeboten.
    »Könntest du dich umhören und was über
ihn rausfinden?«
    »Klar. Darf ich das Bild behalten?«
    »Es wäre mir lieber, wenn du ihn nur
beschreibst. Er soll nicht wissen, dass ich ihn suche.«
    Cardenas nickte und prägte es sich ein.
So benebelt er von Drogen und Schnaps sein mochte, sein Gedächtnis war
ausgezeichnet.
    Ich nahm die Zeichnung an mich und gab
ihm vierzig Dollar — die übliche Anzahlung. Er nickte

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