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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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er von seinem Besuch an der Uni und bei Lorentz. »Dann lass doch mal hören, was die Obduktion ergeben hat«, sagte er schließlich, als er mit seinem Tagesbericht fertig war.
    Capelli pustete auf den heißen Tee in ihrer Tasse und nahm einen kleinen Schluck. »Der Tod trat in der Nacht von Sonntag auf Montag ein – die genaue Stunde lässt sich leider nicht bestimmen. Auch was die Tatwaffe angeht, kann ich keine brauchbaren Informationen liefern. Er wurde mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen – das kann so gut wie alles gewesen sein: ein Baseballschläger, ein Aschenbecher, ein Briefbeschwerer oder einfach nur ein runder Stein. Die Abtrennung des Kopfs erfolgte mit einer handelsüblichen Säge, und von der fehlt jede Spur – das hilft uns leider auch nicht weiter.«
    »Sonst noch etwas?«
    »Novak wurde gefesselt und brutal zusammengeschlagen, bevor er getötet wurde. Seine Nase war gebrochen, zwei Rippen waren angeknackst, und er hatte überall am Körper blaue Flecken. Der Mörder muss aus irgendeinem Grund stinksauer auf ihn gewesen sein.«
    Morell überlegte kurz. »Entweder das, oder er wollte etwas aus ihm herausprügeln – zum Beispiel Informationen.« Er schüttete den Teig in eine große Pfanne und sah ihm beim Festwerden zu. »Ich werde herausfinden, was auf dem fehlenden Foto zu sehen ist«, sagte er, während er geschickt die Palatschinken wendete. »Ich habe zwar noch keinen blassen Schimmer, wie ich das anstellen soll, aber irgendetwas wird mir schon einfallen.«
    »Sag, wenn ich irgendwie helfen kann.«
    »Für den Anfang würde es mir schon reichen, wenn du keine unbefugten Obduktionen mehr durchführst.« Morell zerbröselte ein großes Stück Feta und vermischte es anschließend mit Sahne. »Ich werde als Nächstes versuchen, irgendwie an die Familie des Opfers ranzukommen. Vielleicht bringt uns das ja weiter.«
    »Gute Idee. Die meisten Verbrechen haben einen familiären Hintergrund.« Nina beobachtete, wie Morell Zitronensaft und gehackte Kräuter in die Fetacreme mischte. »Das sieht sehr lecker aus.«
    »Das sieht nicht nur so aus, das schmeckt auch so.« Morell würzte noch etwas nach. »Ach, was ich noch gar nicht erzählt habe: Wusstest du, dass ich deine Nachbarin, Frau Horsky, kenne? Ich habe sie heute im Hauseingang getroffen, und sie will unbedingt, dass ich einen alten Fall wieder aufrolle.«
    »Wirklich? Du kennst die alte Horsky? Die ist das Schlimmste, was man sich als Nachbarin vorstellen kann. Aber ich will nicht über sie schimpfen – sie sieht nämlich gar nicht gesund aus und wird sicher bald sterben.«
    »Unterschätze niemals die lebenserhaltende Kraft von Hass«, murmelte Morell, kostete von der Fetacreme und signalisierte durch ein Lächeln, dass sie ihm vorzüglich gelungen war.

»Ach, das allein Beständ’ge ist das Grab.«
    Anastasius Grün, Schutt
    Wie gebannt musterte er die Gesichter hinter dem Glas: Jung waren sie damals gewesen. Jung, aber keineswegs unschuldig.
    »Wer von euch war noch beteiligt?«, murmelte er leise, nahm das Foto aus dem Rahmen und malte mit einem dicken, schwarzen Filzstift ein Kreuz über Novaks Gesicht. Dann legte er das Bild beiseite und wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Aufzeichnungen des Toten zu.
    In den letzten beiden Tagen hatte er ungefähr ein Viertel davon durchgesehen, aber noch nicht erfahren, was er eigentlich wissen wollte. Hoffentlich hatte Novak sich keinen letzten, makabren Scherz mit ihm erlaubt und ihn mit einem völlig unnützen Haufen Papier abgespeist – es gab nur einen Weg, das herauszufinden: Er schaltete die Lampe ein, beugte sich dicht über die staubigen, porösen Seiten, die mit kleinen, krakeligen Buchstaben beschrieben waren, und las weiter.
    Ebla, 28. Juni 1975
    Ein wahrlich atemberaubender Tag! Heute Abend haben wir eine unterirdische Kammer entdeckt, die mit Tausenden und Abertausenden von beschriebenen Täfelchen gefüllt war. Unser Grabungsleiter, Paolo Matthiae, und der Keilschriftexperte Giovanni Pettinato glauben, dass es sich dabei um einen der sensationellsten archäologischen Funde des Jahrhunderts handeln könnte. Meine Freude darüber, ein Zeuge dieser Sternstunde sein zu dürfen, ist grenzenlos, und ich bezweifle, dass ich heute Nacht vor lauter Aufregung schlafen kann.
    Wie interessant – Novak war also dabei gewesen, als die berühmten sumerischen Keilschrifttafeln in der nordsyrischen Stadt Ebla entdeckt worden waren. Konnte es sein, dass dort alles begonnen hatte?

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