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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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eventuell persönlich mit den ermittelnden Beamten treffen musste, hatte sie nicht bedacht. Das machte ihre Situation um einiges brenzliger. »Dumme Gans«, sagte sie leise zu sich selbst. »Jetzt kannst du sehen, wie du da mit heiler Haut wieder rauskommst.«
     
    »Also? Wo gehen wir denn nun hin?«, wollte Morell wissen, nachdem er ungefähr eine Viertelstunde neben Frau Horsky hergetrottet war.
    Die alte Dame blieb stehen, kramte in ihrer Handtasche und hielt ihm einen Gefrierbeutel, in dem ein kleiner, gelber Zettel steckte, unter die Nase. »Dorthin.«
    Morell nahm die kleine Plastikhülle und wollte sie öffnen.
    »Nein! Nicht!«, rief Frau Horsky entsetzt und klopfte dem Chefinspektor auf die Finger. »Das ist ein Beweisstück. Das muss da drinbleiben! Das müssten Sie als Polizist doch wissen!«
    Morell verdrehte die Augen, dachte an das Apfelstrudelrezept und betrachtete die Notiz durch den Beutel hindurch. »25. 03. 16 Uhr, Pietät«, las er laut vor. »Was soll das bedeuten?«
    »Nachdem Benedikt verschwunden ist, hat ein Freund der Familie ›Memento Bestattungen‹ übernommen. Er hat das Unternehmen zwar ordentlich geführt, hatte aber trotzdem zu wenig Aufträge. Vor einem halben Jahr musste er schließen.« Frau Horsky seufzte. »Es war ein schwerer Schlag für mich, das Werk meines Sohnes zerstört zu sehen. Benedikt hat all sein Geld und seine Energie in den Aufbau seiner Firma gesteckt. Darum war es mir auch sehr wichtig, bei der Auflösung des Geschäftslokals dabei zu sein. Als die Umzugshelfer Benedikts Schreibtisch wegtrugen, habe ich unter anderem das dort gefunden.« Sie zeigte auf die Notiz in Morells Hand. »Das ist eines von diesen kleinen, gelben Zettelchen, die man irgendwo hinkleben kann.«
    »Sie meinen ein Post-it.«
    »Keine Ahnung, wie diese Dinger heißen. Jedenfalls hat mein Sohn sie sich oft an die Wand vor seinem Schreibtisch geklebt, um wichtige Dinge immer im Blick zu behalten. Einige davon sind anscheinend runtergefallen und hinter dem Tisch gelandet. Der Klebstoff, der da drauf ist, ist nämlich nicht sehr gut und löst sich ziemlich schnell ab.«
    »Das ist der Sinn und Zweck dieser kleinen Zettel«, setzte Morell an, beschloss dann aber, dass es nichts brachte, Frau Horsky die Idee hinter Post-it zu erklären. »Sie haben also ein paar von diesen gelben Dingern gefunden.«
    »Genau. Die anderen Notizen waren nicht besonders interessant, aber diese hier schon.« Sie hielt den Plastikbeutel so nahe vor das Gesicht des Chefinspektors, dass er dessen Nase berührte. »Benedikt hat ›Memento Bestattungen‹ nämlich am 25. März am frühen Nachmittag verlassen, und das war das letzte Mal, dass ihn irgendjemand gesehen hat. Niemand wusste, wohin er gegangen war. Aber jetzt«, sie zeigte auf die Notiz, »wissen wir es.«
    »Pietät?« Morell konnte damit nicht viel anfangen.
    »Pietät Abendruh ist sozusagen ein Konkurrenzunternehmen.« Sie hielt kurz inne. »Mein Sohn sagte zwar immer, dass ›Mitbewerber‹ das korrekte Wort wäre, aber ich bin dafür, dass man die Dinge beim Namen nennt. Eine Putzfrau ist eine Putzfrau und keine Raumpflegerin. Genauso wie ein Hausmeister kein Gebäudemanager ist.«
    »Sie glauben also, dass Ihr Sohn einen Termin mit einem Mitbewerber hatte.«
    »Genauso ist es.« Frau Horsky sah den Chefinspektor triumphierend an. »Nun haben wir endlich einen Anhaltspunkt.«
    »Das hätten Sie mir aber doch auch daheim bei einer schönen Tasse Kaffee erzählen können.«
    »Nein, denn wir – oder besser gesagt Sie – haben hier etwas zu tun.«
    »Wo? Hier?«
    »Da drüben.« Frau Horsky zeigte mit ihrem Stock auf die andere Straßenseite, wo ein großes Schild mit der Aufschrift ›Pietät Abendruh‹ eine Hausfassade zierte. »Jetzt werden Sie nach all den Jahren endlich herausfinden, was mit Benedikt passiert ist.«
    »Sie haben mich reingelegt«, schimpfte Morell.
    »Spielen Sie jetzt bloß nicht das Unschuldslamm! Sie sind doch auch nicht aus purer Nächstenliebe, sondern nur wegen meines Apfelstrudelrezepts mitgekommen.« Frau Horsky tätschelte mit ihrer knochigen Hand Morells Ellenbogen. »Mein Plan ist ganz einfach. Sie gehen jetzt zu Herrn Eschener, dem Direktor, und stellen sich bei ihm als Bestattungsfachkraft vor. In dieser Position können Sie in den nächsten Tagen ungestört ein wenig herumschnüffeln.«
    Morell starrte die alte Frau mit offenem Mund an. Die hatte ganz offensichtlich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Ein klarer Fall

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