Zu Grabe
wenn nicht plötzlich jemand von innen die Tür aufgemacht hätte.
»Herzlich willkommen«, sagte ein mittelgroßer Mann mit schütterem, graumeliertem Haar und einer ziemlich großen Nase. Er trug einen teuer wirkenden, dunklen Anzug und ein weißes Hemd mit Manschettenknöpfen. Mit seiner edlen Krawatte, die er zu einem doppelten Windsor-Knoten gebunden hatte, sah er eher wie ein Vertreter des Hochadels als wie ein Bestattungsunternehmer aus. »Treten Sie ein!«
Morell zierte sich kurz, nahm dann aber die Einladung an.
»Bitte nur keine Scheu. Folgen Sie mir.« Der Mann führte Morell in eine Art Besprechungszimmer, deutete auf einen Sessel und nahm dann gegenüber von ihm Platz. »Walter Eschener.« Er streckte Morell seine Hand entgegen, an der ein Siegelring mit einem Familienwappen glitzerte.
»Ich … ähm … mein Name ist Mo… Reiter. Thomas Reiter.«
»Wie kann ich Ihnen helfen, Herr Reiter?«
»Ich bin hier … ähm …« Morell hasste es, schon wieder lügen zu müssen. Seine Stimme zitterte, und seine Hände waren ganz schwitzig.
»Ist schon gut, lassen Sie sich Zeit. Ein Trauerfall ist immer ein harter Schlag. Viele meiner Kunden tun sich schwer, darüber zu sprechen.« Eschener faltete die Hände ineinander, legte den Kopf ein wenig schief und lächelte Morell zaghaft an. Er hatte eine sehr angenehme Art und eine ruhige, sonore Stimme, die den Chefinspektor langsam ein bisschen auftauen ließ.
»Ich bin nicht wegen einer Bestattung hier, sondern wegen eines Jobs.«
»Wegen eines Jobs?«
»Ja, ich suche eine Stelle im Bestattungswesen.«
»Aber sagen Sie das doch gleich!« Eschener lehnte sich in seinem Sessel zurück, schlug die Beine übereinander und musterte Morell. »Haben Sie denn Erfahrungen in dieser Branche?«
Morell reichte Eschener das Empfehlungsschreiben. Dieser überflog es kurz und nickte dann anerkennend.
»Somnus Bestattungen. Ein sehr renommiertes Unternehmen. Hier steht, dass Sie flexibel, ehrlich, belastbar und verantwortungsbewusst sind. Das sind wichtige Eigenschaften in unserem Job.« Er spielte mit seinem Ring. »Haben Sie einen Führerschein?«
Morell nickte. »Klasse A und B.«
»Nun ja, Herr Reiter, Ihre Referenzen sind ausgezeichnet, und Sie machen den Eindruck, als wären Sie in der Lage, ordentlich anzupacken. Ich werde Ihnen deshalb eine Chance geben und lasse Sie Probe arbeiten. Gute Leute sind rar, und wir könnten tatsächlich eine Aushilfskraft für vormittags gebrauchen.«
Morell schluckte, dachte dann aber an den armen Lorentz und das Apfelstrudelrezept und versuchte so zu tun, als würde er sich freuen. »Vielen Dank für Ihr Vertrauen.«
Eschener öffnete eine Schreibtischschublade, zog eine kleine Anstecknadel mit dem Logo der Pietät heraus und heftete sie an Morells Kragen. »Willkommen im Team. Morgen früh um neun Uhr legen wir los. Ich gebe Ihnen noch schnell einen kurzen Überblick über unsere Leistungen, damit Sie wissen, was so alles auf Sie zukommt.«
Morell nickte. »Da bin ich ja gespannt.«
»Ich bin stolz, sagen zu können, dass wir Wiens innovativstes Bestattungsunternehmen sind. Niemand bietet so viele verschiedene Beisetzungsarten an und ist so modern und progressiv wie wir. Bei uns gibt es nichts, was es nicht gibt. Die einfachen Erd-, Gruft- und Feuerbestattungen kennen Sie ja sicherlich noch von Ihrer Zeit bei Somnus. Wir haben aber zusätzlich noch andere Formen wie See- und Baumbestattungen im Repertoire. Wir können außerdem organisieren, dass die Asche von einem Heißluftballon aus in alle Winde gestreut wird, und last but not least bieten wir auch Diamantbestattungen an. Dabei wird ein Teil der Asche in einem speziellen Verfahren zu einem Edelstein gepresst. Ein guter Freund von mir ist Goldschmied. Auf Wunsch kann er die Diamanten schleifen und fassen.«
Morell verzog den Mund. »Ich weiß nicht, ob ich unbedingt tote Menschen um meinen Hals oder an meinen Fingern tragen möchte.«
»Nun ja, Herr Reiter. Nicht jeder denkt so wie Sie.« Eschener öffnete eine Schublade und zog einen Stapel Prospekte heraus. »Die können Sie sich zu Hause durchschauen, um ein Gefühl für unsere Dienstleistungen zu bekommen. Ab morgen müssen Sie nämlich überall dort anpacken, wo Not am Mann ist. Möglich, dass Sie dem Fahrer bei der Abholung von Verstorbenen helfen. Vielleicht müssen Sie Telefondienst machen. Kann sein, dass ich Sie im Verkaufsraum brauche oder dass Sie beim Einsargen oder unten in der Thanatopraxie
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