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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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mithelfen müssen.«
    »Thanato… was?« Morells Angespanntheit wurde wieder schlimmer.
    »Thanatopraxie. Stimmt, Somnus hat so was ja nicht.« Eschener lächelte selig. »Die Thanatopraxie ist ein Teil meines Unternehmens, auf den ich ganz besonders stolz bin. Kommen Sie, ich zeige sie Ihnen.« Er stand auf und bedeutete Morell, ihm zu folgen. Sie gingen in den Flur, wo der Bestatter vor einer dunklen Holztür stehen blieb. »Hier geht’s eine Etage tiefer.«
    »Verstehe«, sagte Morell, der nicht nach unten wollte. »Da können wir dann ja morgen oder übermorgen mal runterschauen. Ich will Ihre Zeit heute nicht noch mehr in Anspruch nehmen. Sie haben sicher viel zu tun.«
    »Das ist sehr rücksichtsvoll von Ihnen, aber keine Sorge, Herr Reiter, Sie haben einen günstigen Zeitpunkt erwischt.« Eschener öffnete die Tür und machte mit dem Arm eine einladende Geste.
    Morell folgte dem Bestatter langsam die Stiege hinunter, und mit jeder Stufe, die er nahm, verspürte er ein bisschen mehr Übelkeit. Er mochte keine Leichen, er mochte keine Keller, und noch weniger mochte er die Kombination aus beidem.
    »Hier gleich rechts befindet sich unser Lagerraum.« Eschener öffnete eine Tür, betätigte einen Lichtschalter und gab den Blick auf ein Meer von Särgen, Urnen, Kerzen und Kartons frei.
    »Beeindruckend, nicht wahr?« Eschener schloss wieder zu und zeigte auf eine schwere Metalltür gleich vis-à-vis vom Lager, in die auf Augenhöhe ein kleines, quadratisches Sichtfenster eingelassen war. »Das ist unser Kühlraum, in dem sich unsere Gäste befinden. Heute handelt es sich dabei nur um eine ältere Dame, die gestern in einem Pflegeheim verstorben ist und übermorgen beigesetzt wird.« Er machte eine theatralische Pause und wandte sich dann einer dritten Tür zu, die sich direkt vor ihm befand. »Und hier ist unser Thanatopraxieraum.«
    »Und da drin machen Sie was genau?« Morell bereute die Frage noch im selben Atemzug.
    »Die Aufgaben der Thanatopraxie reichen von der Desinfektion des Toten und dem Schließen der Körperöffnungen bis hin zur ästhetischen Wiederherstellung und Einbalsamierung.«
    »Einbalsamierung?«
    »Ja, die Bauchhöhle des Dahingeschiedenen wird trockengelegt und sein Blut durch Formalin ersetzt. Der Trend aus den USA kommt langsam auch nach Österreich. Immer mehr Menschen wollen ihre Reise in die Ewigkeit schön und unversehrt antreten. Zudem wollen viele Angehörige ihre Verstorbenen noch ein letztes Mal sehen, und wir kümmern uns darum, dass dies ein würdiger Anblick wird. Vor allem nach Unfällen, Gewalttaten oder schweren Krankheiten ist das eine ziemliche Herausforderung. Aber Herr Jedler, unser Thanatopraktiker, ist ein Profi. Er vollbringt wahre Wunder.« Eschener lächelte verklärt.
    Morell, dem ganz flau war, wollte nur noch eines – ganz schnell weg von hier. Er war vor Gewalt und Tod nach Landau geflohen, und jetzt fand er sich wieder einmal mittendrin. »Danke für die Führung«, sagte er und steuerte auf die Treppe zu.
    »Aber Herr Reiter, wollen Sie denn gar keinen Blick in den Thanatopraxieraum werfen?«
    Morell wollte definitiv nicht! »Tut mir wirklich leid, aber ich habe noch einen Termin und muss dringend los«, log er. »Sie können mir den Raum ja ein anderes Mal zeigen.«
    »Es dauert nur ganz kurz …«, setzte Eschener an.
    In diesem Moment begann Morells Handy zu läuten. »O je, es wird nach mir verlangt. Ich muss wirklich los! Bis morgen!« Der Chefinspektor stürmte, begleitet vom Klingeln des Handys, nach oben und dankte dem unbekannten Anrufer.
    »Na gut, dann halt morgen«, rief Eschener und wunderte sich, wie dieser dicke, behäbige Mann so flink die Stiege hinaufsausen konnte.

»Seit ich mein Grab sah, will ich nichts, als leben.«
    Heinrich von Kleist, Prinz Friedrich von Homburg
    »Servus! Hier ist der Ernst.«
    »Ernst?« Morell, dem das Herz noch immer bis zum Hals schlug, hatte keine Ahnung, wer sich am anderen Ende der Leitung befand. Wahrscheinlich falsch verbunden. »Tut mir leid«, sagte er deshalb. »Sie müssen sich verwählt haben – ich kenne keinen Ernst.«
    »Geh! Aber klar doch! Der Ernst. Von gestern. Wir sind zusammen in Professor Novaks Büro eingestiegen.« Ein lautes, heiseres Lachen drang an Morells Ohr.
    »Ach so, Sie sind das, Herr Payer. Ist Ihnen etwas zum fehlenden Foto eingefallen?«
    »Nein, das nicht, aber ich habe über was anderes nachgedacht. Kommen Sie doch in mein Büro, dann können wir das besprechen und dabei

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