Zu Grabe
spannend«, hakte Capelli nach.
Der Priester beugte sich ein wenig nach vorn und senkte seine Stimme. »Novak war stets sehr darauf bedacht, mir und meiner Kirche zu schaden. Als am Tag vor dem Mord die große Jesusfigur aus der Sakristei gestohlen wurde, fiel mein Verdacht natürlich sofort auf ihn. Als ich bemerkt habe, wie er mitten in der Nacht das Haus verließ, bin ich ihm gefolgt – ich wollte verhindern, dass er irgendeinen bösen Schabernack mit dem Heiland anstellt. Die Beschattung endete damit, dass Novak in sein Institut ging. Ich habe gewartet, dass er herauskommt – was er aber nicht tat.«
»Dafür sahen Sie, wie jemand anderes das Gebäude verließ.«
»Genauso war es. Sie können sich gar nicht vorstellen, was für ein Schock das war, als mir später bewusst wurde, dass ich einen kaltblütigen Mörder direkt nach seiner schrecklichen Tat beobachtet hatte. Brrrrrrr.« Stimpfl schüttelte sich. »›Siehe, der hat Böses im Sinn; mit Unglück ist er schwanger und wird Lüge gebären.‹ Siebter Psalm, Vers 14.«
»Novak wurde in seinem Büro getötet. Sein Kopf und sein Körper wurden aber an verschiedenen Orten gefunden. Sie haben also tatsächlich beobachtet, wie der Täter samt dem Leichnam das Institut verließ?«, fragte Morell.
Stimpfl nickte. »Es war dunkel, und ich hatte mich in einiger Entfernung hinter einem Auto versteckt, darum konnte ich keine Details erkennen. Aber der Mörder schleppte eindeutig etwas mit sich, das er anschließend in seinem Kofferraum verstaute.« Er schauderte erneut. »Ich konnte ja nicht ahnen, dass es sich dabei um meinen unglücklichen Nachbarn – oder zumindest um Teile von ihm – handelte.« Er schüttelte den Kopf und bekreuzigte sich. »Wenigstens konnte ich mich später an den Wagen des Mörders und an die ersten paar Ziffern des Nummernschilds erinnern.«
Capelli konnte sich nicht mehr länger beherrschen. »Sind Ihnen denn nie Zweifel gekommen, ob das wirklich der Mörder war? Haben Sie vielleicht noch andere verdächtige Dinge beobachtet? Haben Sie sich nie gefragt, was Ihr Nachbar um diese Zeit im Institut wollte?«, sprudelte es aus ihr heraus.
»Sie stellen aber komische Fragen, Frau Kreuz.« Stimpfl musterte die Gerichtsmedizinerin.
Nina konnte den stechenden Blick des Chefinspektors spüren, der sich vorwurfsvoll in ihren Kopf bohrte. »Das ist ja wie in einem richtigen Krimi«, versuchte sie sich aus der Affäre zu ziehen. »Wie spannend.«
»Nun ja, Frau Kreuz, ich würde dieses Erlebnis eher als schockierend bezeichnen. ›Ich wartete des Guten, und es kommt das Böse; ich hoffte aufs Licht, und es kommt Finsternis.‹ Hiob Kapitel 30, Vers 26.«
Morell spürte, wie die Gerichtsmedizinerin innerlich zu kochen begann, und erhob sich. »Frau Kreuz und ich müssen uns nun leider verabschieden. Wir haben noch eine Bestattung vorzubereiten.« Er wollte gehen, bevor sie etwas Unüberlegtes tat. »Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben.«
»Richten Sie der Familie bitte noch einmal mein herzliches Beileid aus, Herr Reiter.« Stimpfl schüttelte Morells Hand zum Abschied. »Und Sie, Frau Kreuz, sollten nicht so viele Krimis lesen. Danken Sie lieber dem Herrn für das schöne, sorglose Leben, das er Ihnen geschenkt hat. ›Danket dem Herrn; denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.‹ Erstes Buch der Chronik. Kapitel 16, Vers 34.«
»Sie sollten nicht so viele Krimis lesen, Frau Kreuz«, äffte Capelli den Pfarrer nach, als sie und Morell wieder draußen auf der Straße waren. »Irgendetwas stimmt doch nicht mit dem. Der wird ja wohl in der Lage sein, einen Leichnam von einer Kiste mit Unterlagen zu unterscheiden … es sei denn …« Sie schielte auf das Pfarrhaus.
»Es sei denn was …?«
»Es sei denn, er selbst ist der Mörder und hat in Leander den perfekten Sündenbock gefunden.«
»Ich werde an ihm dranbleiben«, sagte Morell, dem die Vorstellung, einen Priester als Verdächtigen zu haben, alles andere als zusagte. Ein Mann Gottes als kaltblütiger Schlächter? Es musste eine andere Lösung geben. »Wenn wir schon mal hier sind, könnten wir doch gleich auch die Witwe befragen«, schlug er vor.
Capelli starrte Morell mit offenem Mund an. Sie war erneut über die plötzliche Energie des Chefinspektors erstaunt.
»Ist irgendwas?«, wollte dieser wissen.
»Nein, alles bestens, Herr Reiter.«
Leider wurde Morells Enthusiasmus dadurch gebremst, dass bei den Novaks niemand die Tür
Weitere Kostenlose Bücher