Zu Grabe
war, aber zu spät – die Gerichtsmedizinerin hatte bereits auf den Klingelknopf gedrückt. »Wir geben uns jedenfalls nicht mehr als Polizisten aus«, bestimmte der Chefinspektor. »Stell dir nur mal vor, was alles passieren könnte, wenn irgendwer sich bei Weber nach uns erkundigt. Es reicht, dass die Archäologen denken, ich wäre ein offizieller Ermittler.«
»Was sollen wir denn sonst sein?«
Noch bevor Morell sich eine Antwort überlegen konnte, wurde die Tür geöffnet.
»Grüß Gott. Was kann ich für Sie tun?« Stimpfl war ein stattlicher Mann mit breiten Schultern und dichtem, weißem Haar. Sowohl Capelli als auch Morell hatten erwartet, dass er ein Collarhemd, eine Soutane oder etwas Ähnliches tragen würde, doch zu ihrer Überraschung trug er Jeans und ein einfaches blaues Hemd.
»Wir sind wegen Herrn Novak hier.« Morell war es ziemlich unangenehm, dass sein Gegenüber ein Priester war. Es fiel ihm ja schon schwer, normale Menschen anzuschwindeln, aber einen Mann, der für Gott arbeitete – das war Lügen für Fortgeschrittene.
»Sie kommen von der Pietät, nicht wahr?«, sagte Stimpfl.
Morell war völlig perplex. Woher zur Hölle wusste der Priester von seinem Job beim Bestatter. Er fand die Situation mehr als nur unheimlich, bis ihm einfiel, dass er immer noch die kleine Anstecknadel trug, die Eschener ihm geschenkt hatte. »Ähm … ja … wir kommen von der Pietät«, improvisierte er.
»Es tut mir leid, aber Sie sind umsonst hier. Meine Antwort ist und bleibt ›Nein‹. Vitus Novak wird von mir kein kirchliches Begräbnis bekommen.«
»Wir akzeptieren natürlich Ihre Entscheidung«, versuchte der Chefinspektor, der keine Ahnung hatte, wovon Stimpfl sprach, die Konversation am Laufen zu halten. »Aber könnten wir vielleicht trotzdem noch einmal kurz darüber reden?«
Der Pfarrer zuckte mit den Schultern. »Ich hatte zwar bereits ein ausführliches Gespräch mit der Witwe und Herrn Eschener, aber ich kann Ihnen die Sachlage natürlich gerne noch einmal erklären. Bitte treten Sie ein und folgen Sie mir.«
Capelli sah Morell fragend an. »Ich versteh nur Bahnhof. Warum denkt er, wir seien Bestatter?«, zischte sie.
»Weil es die Wahrheit ist«, flüsterte der Chefinspektor.
»Hä?«
»Ich erklär’s dir nachher. Bis dahin sagst du am besten gar nichts und lässt mich reden.«
Das Wohnzimmer von Pfarrer Stimpfl war schlicht eingerichtet. In einer Ecke befand sich eine braune Ledercouch, vor der ein kleiner Tisch stand. Es gab einen Fernseher, eine Stereoanlage, einen flauschigen, weißen Teppich und ein paar Pflanzen. Einzig das große Holzkreuz an der Wand sowie eine Marienskulptur und mehrere Rosenkränze auf dem Tisch erinnerten daran, dass dies die Wohnung eines Priesters war.
»Bitte sehr, Herr …«, Stimpfl deutete auf das Sofa.
»Oh, wie unhöflich. Ich habe uns noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Mo… Reiter. Thomas Reiter, und das hier ist meine … meine … Assistentin … Frau …« Morell ließ seinen Blick durchs Zimmer wandern. »Frau Kreuz. Maria Kreuz.« Der Chefinspektor kassierte ein Augenrollen von Capelli, ließ sich davon aber nicht aus dem Konzept bringen. »Herr Novak soll also ohne kirchlichen Segen beerdigt werden?«
»So ist es.« Stimpfl setzte sich aufrecht auf einen Stuhl und schlug die Beine übereinander. »Vitus Novak war kein großer Freund der Kirche und wollte ganz sicher kein christliches Begräbnis. Ich denke, wir sollten diesen Wunsch respektieren.«
»Ihre Weigerung hat also nichts mit den Unstimmigkeiten zu tun, die zwischen Ihnen und dem Verstorbenen herrschten?«, wollte Morell wissen.
»Aber nein.« Stimpfl winkte ab. »Professor Novak als Nachbarn zu haben war zwar eine wahre Bürde, doch wie steht es im elften Psalm so schön geschrieben: ›Der Herr prüft den Gerechten.‹ Vitus Novak war ein Mann der Wissenschaft. In seinem Leben gab es keinen Platz für den Glauben, für Gott oder die Kirche. Daraus machte er keinen Hehl, was natürlich zu Reibereien führte. Aber ich habe ihm stets verziehen, denn ich bin ein Mann Gottes, und Vergebung gehört zu meinem Beruf.«
»Wir haben gehört, Sie haben Ihrem Nachbarn nicht nur vergeben, sondern sollen auch das Ihre dazu beigetragen haben, seinen Mörder zu finden«, lenkte Morell das Thema geschickt auf die Mordnacht.
Der bisher eher reservierte Stimpfl bekam ganz rote Wangen. »Ich habe nur meine Pflicht getan«, sagte er und lächelte.
»Erzählen Sie. Das klingt
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