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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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aufgescheuchtes Huhn herum und rief einer Frau, die der Chefinspektor bisher noch nicht gesehen hatte, aufgeregt irgendwelche Anweisungen zu.
    »Wie gut, dass Sie da sind, Herr Reiter. Wir haben gerade von Ihnen gesprochen. Darf ich Ihnen Frau Summer vorstellen. Sie kümmert sich um sämtliche administrativen Belange und ist auch häufig beratend tätig. Frau Summer, das ist Thomas Reiter, unser neuer Helfer.«
    »Freut mich.« Morell, der noch immer vom Transport des Toten mitgenommen war, war froh, in ein fröhliches, lebendiges Gesicht zu blicken. Frau Summer war etwa sechzig Jahre alt, klein, rund und rotbackig, mit Grübchen in den Wangen und wuscheligen, weißen Haaren. Sie trug ein wallendes Kleid mit aufgedruckten Blumen und eine dicke Brille, die ihre Augen auf die doppelte Größe anwachsen ließ.
    »Schön, dass wir ein bisschen Hilfe kriegen – und eine so stattliche gleich dazu.« Sie zwinkerte. »Mein Büro ist neben dem von Herrn Eschener. Wenn Sie mal Hilfe brauchen oder einen guten Kaffee, dann kommen Sie vorbei.«
    »Gern.« Morell sah der kleinen Dame nach, wie sie in ihrem Büro verschwand.
    »So, jetzt aber ab an die Arbeit.« Eschener klatschte in die Hände. »Helene Novak hat uns mit der Bestattung ihres dahingeschiedenen Mannes beauftragt. Sie haben sicher davon gehört – alle Zeitungen waren voll davon. Sie wird gleich vorbeikommen, um die Details zu besprechen.« Er wedelte aufgeregt in der Luft herum. »Sie will ein pompöses Begräbnis. Alles nur vom Feinsten.«
    »A schene Leich, auf gut Wienerisch«, gab Jedler zum Besten. »Ich habe auch schon alles für die Ankunft des guten Herrn Novak vorbereitet.«
    »Wunderbar, Herr Jedler, ich gebe Ihnen Bescheid, sobald der Körper von der Gerichtsmedizin freigegeben wird.«
    »Ich hoffe doch sehr, dass die uns nicht nur seinen Körper, sondern auch den dazupassenden Kopf überlassen. Sonst wird die Sache mit dem offenen Sarg schwierig. Ich bin zwar gut in meinem Job, aber so gut nun auch wieder nicht.« Der Thanatopraktiker kicherte.
    »Wie oft soll ich es Ihnen noch sagen? Keine dummen Witze. Lassen Sie Zurückhaltung walten, Herr Jedler – immerhin trägt dieser Betrieb den Namen Pietät. Reißen Sie sich also gefälligst zusammen.« Eschener wandte sich an Morell. »Frau Novak hat ausdrücklich darum gebeten, dass wir ihren verstorbenen Gatten schön herrichten, damit sie ihn noch ein letztes Mal sehen und in Ruhe Abschied von ihm nehmen kann.« Er nestelte hektisch an seinen Manschettenknöpfen herum. »Sie, Herr Jedler, gehen zurück an Ihre Arbeit im Souterrain, und Sie, Herr Reiter, richten schon mal ein paar Vorschläge für Blumenarrangements her. Ich bin gleich wieder bei Ihnen.« Der Bestatter richtete sich zum wiederholten Mal die Krawatte. »Eine richtige Prunkbeerdigung«, murmelte er, während er zurück in sein Büro ging. »Wie in der guten, alten Zeit. Das wird einfach wunderbar. Pracht-Classe complet.«
    Morell überlegte. Wie sollte er es am besten anstellen, der Witwe auf den Zahn zu fühlen, wenn sie so sehr von Eschener belagert wurde?
    »Pracht-Classe complet, wie wunderbar«, äffte Jedler seinen Chef nach.
    Morell, der ganz vergessen hatte, dass sich sein Kollege auch noch im Raum befand, drehte sich zu ihm um. »Was ist denn eine Pracht-Classe complet?«
    »Der Alte schwelgt in seinen Tagträumen gern im 19. Jahrhundert, als die Leute noch Unsummen für Begräbnisse ausgaben und aus jedem Todesfall einen pompösen Staatsakt machten. Damals waren die Beerdigungen in Klassen eingeteilt, und die Pracht-Classe complet war die teuerste. Sie beinhaltete Fahnenreiter, Fackelträger, geschmückte Pferde und und und. Tu dir einen Gefallen und frag den Chef nie nach diesen Dingen. Er wird sonst freudestrahlend stundenlange Lobpreisungen auf die gute alte Zeit halten, in der ein Bestattungsunternehmer noch ein angesehener Mann war. Heutzutage ist ja alles günstig und zweckmäßig. Die Leute investieren lieber in das Leben als in den Tod. Na, wie auch immer – ich geh zurück zu meinem neuen Kumpel in den Keller.«
    Kaum war Jedler verschwunden, wurde die Eingangstür energisch geöffnet und eine kleine, zierliche Dame kam hereinspaziert. Sie war ganz in Schwarz gekleidet und trug einen überdimensionalen Hut, der den größten Teil ihres Gesichts verdeckte. Sie blieb stehen, sah sich kurz um und wandte sich dann an Morell.
    »Grüß Gott. Mein Name ist Helene Novak.« Sie streckte Morell ihre Hand entgegen. Für so

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