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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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sich, und einige Augenblicke später war das Öffnen und Schließen der Tür zu vernehmen. Es kostete Morell einiges an Überwindung, nicht augenblicklich den Sargdeckel hochzuwuchten und in die Freiheit zu springen. Er musste warten, bis er sicher sein konnte, dass Summer und Weber außer Hörweite waren, und zwang sich deshalb noch etwas auszuharren. Während er mit geschlossenen Augen regungslos dalag, trieb ihm vor allem ein Gedanke den Angstschweiß aus den Poren: Was, wenn er den Deckel nicht mehr aufbekam? Wenn irgendetwas klemmte? Wie lange würde die Luft ausreichen, bevor er elendig krepierte?
    »Kein Gejammer, keine Schwäche und vor allem keine Panikattacke.« Er fummelte ziemlich umständlich sein Handy aus der Hosentasche, schaltete es aus und begann langsam von 30 rückwärts zu zählen.
     
    Nachdem Herr Reiter unauffindbar blieb, ließ Weber sich von Frau Summer dessen Telefonnummer geben und verabschiedete sich. Groß, korpulent, Tiroler, seit zwei Tagen in der Pietät und versuchte Frau Novak den Floh ins Ohr zu setzen, dass Lorentz nicht der Täter war – das musste einfach Morell sein. »Na warte, Otto«, murmelte er, als er ins Auto stieg.
    »Können wir los?«, wollte Wojnar wissen.
    »Gleich.« Weber zückte sein Handy und wählte die Nummer, die er eben von Frau Summer bekommen hatte. Nachdem er eine grimmige Nachricht auf der Mobilbox hinterlassen hatte, startete er, ohne etwas Weiteres zu sagen, den Wagen.
    Wojnar, der nicht riskieren wollte, Webers Stimmung noch mehr zu verschlechtern, verkniff sich die Frage nach den Details und trank schweigend den Rest seines Kaffees aus.
     
    »… vier, drei, zwei, eins.« Morell hob den Sargdeckel an, setzte sich aufrecht hin und holte tief Luft. Das war ja zum Glück noch mal gutgegangen. Er zog ein Taschentuch aus seiner Jacke, wischte sich damit den Schweiß von der Stirn und wollte gerade aus seinem unfreiwilligen Gefängnis klettern, als er erneut Schritte auf dem Flur hörte. Waren die beiden etwa zurückgekommen? Er hatte keine Zeit, lange zu überlegen, da die Stimmen sich schnell näherten – er musste sich wohl oder übel noch einmal einsargen.
    Im selben Moment, als er den Deckel über sich schloss und abermals in beengter, beklemmender Dunkelheit verschwand, wurde die Lagertür geöffnet.
    »Scheiß Kieberei«, sagte eine gedämpfte Männerstimme zu einer anderen Person. »Ich habe mich fast zu Tode erschreckt, als ich geschnallt habe, dass ein Bulle im Haus ist.«
    »Was er wohl von Herrn Reiter wollte?«, fragte eine zweite Stimme.
    Morell presste sein Ohr wieder gegen die Sargwand und versuchte die Anwesenden zu identifizieren – ja, kein Zweifel, es handelte sich um Jedler und Eschener.
    »Keine Ahnung. Die Sache ist mir jedenfalls nicht ganz geheuer. Wir müssen unbedingt vorsichtig sein und dem Reiter auf die Finger schauen. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm.«
    »Glaubst du, dass er vom Gesundheitsamt oder der Gewerbeaufsicht sein könnte?«
    »Was auch immer – wegen ihm hatten wir heute die Polizei im Haus, und das ist nicht gut. Seit der Sache mit dem Horsky werde ich schon nervös, wenn ich nur einen Polypen am Straßenrand stehen sehe.«
    Als Morell den Namen Horsky hörte, vergaß er vor lauter Aufregung kurz, dass er in einem Fleischfresser lag. Da sieh mal einer an – die Pietät hatte also tatsächlich etwas mit dem Verschwinden von Frau Horskys Sohn zu tun.
    »Apropos Horsky«, redete Jedler weiter. »Habe ich dir schon erzählt, dass Reiter nach ihm gefragt hat? Er hat behauptet, er sei ein alter Freund von ihm.«
    »Und? Glaubst du ihm das?«
    »Ich bin mir nicht sicher – wir sollten ihn auf jeden Fall im Auge behalten.«
    »Auf drei«, sagte Eschener nach einer kurzen Pause. »Eins – zwei – und rauf damit.« Irgendetwas, wahrscheinlich ein Sarg, wurde hochgewuchtet. Anschließend ging die Tür auf und wieder zu.
    Nachdem die beiden weg waren, zählte Morell noch einmal von 30 rückwärts, befreite sich und schlich wieder in den oberen Stock.
    »Da sind Sie ja«, begrüßte ihn Frau Summer im Ausstellungsraum. »Ein Herr Weber von der Polizei hat nach Ihnen gesucht.«
    »Tatsächlich?« Morell versuchte, Zeit zu schinden und sich eine Ausrede einfallen zu lassen.
    »Ja, er sagte, er wolle Ihre Personalien aufnehmen. Sie haben doch nichts angestellt, oder?«
    »Ähm … nein … natürlich nicht.« Wenn er für jede Lüge einen Euro kriegen würde, wäre er bald reich. »Er war sicher hier … wegen

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