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Zu keinem ein Wort

Titel: Zu keinem ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz van Dijk
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dann legte ich mit dem Besen auf der Treppe los, als wollte ich alle bösen Geister auf einmal wegfegen.
    Jutta und Hannelore schauten mir verwundert zu. Aber mir half das Putzen, jetzt nicht noch trauriger zu werden. Immerhin hatten die Menschen sich hier bereit erklärt, uns zu helfen und aus Deutschland herauszukommen. Aber warum waren sie dann so abweisend?
Oder kam es mir nur so vor? Waren sie vielleicht gar nicht von der Königin gefragt worden, ob sie uns haben wollten?
    Â 
    Am dritten Tag gab es die erste Überraschung: Unten wurde heftig an der Glocke gezogen, und nachdem die Tür mit einer Schnur von oben geöffnet worden war, dauerte es ewig, bis endlich jemand oben schwer atmend vor der Tür der Quarantäne-Wohnung stand: Eine dicke ältere Frau, die ein wenig humpelte und auf Deutsch rief: »Wo sind denn die Levitus-Töchter?«
    Die junge Frau, die uns betreute, versuchte zuerst noch - ebenfalls auf Deutsch - einzuwenden, dass dies eine Quarantänewohnung sei und niemand von außen so einfach hier hereinkönne, aber die Frau rief jetzt noch lauter: »Ich brauche einen Stuhl, schnell einen Stuhl!«
    Inzwischen waren Jutta und ich aus unserem Zimmer gerannt und standen erwartungsvoll vor der dicken Dame, die leicht schwankend am Türpfosten lehnte, und starrten sie beeindruckt an. Ihr vermutlich ehemals vornehmer Pelzmantel schien an akutem Haarausfall zu leiden und beide Ärmel wiesen große Löcher an den Ellenbogen auf. Ob das Mutters Freundin war? Und würde sie uns bald hier herausholen?
    Â»Ich bin Tante Meta!«, rief sie. »Aber jetzt brauche ich sofort einen Stuhl!« Sie drohte tatsächlich vornüber zu kippen. Ich rannte zurück ins Zimmer und schob ihr dann einen Stuhl zu, auf den sie noch im Flur mit letzter Kraft sackte.
    Â»Danke, Kindchen - bist du die Cilly?«

    Jutta und ich nickten vor Aufregung gleichzeitig. Dann erzählten wir ihr in aller Kürze, wie wir nach Amsterdam gekommen waren und wie es Mutter und unseren Geschwistern Hanna und Jossel ging. Wir trauten uns nicht, etwas zu fragen. Aber da klärte sie uns schon von sich aus auf: »Ich habe nur eine kleine Einzimmerwohnung, da passe ich gerade selbst hinein. Aber ihr könnt mich gern mal am Wochenende besuchen, wenn ihr wollt!«
    Immerhin. Es gab noch jemanden in dieser Stadt, an den wir uns wenden konnten. Und Tante Meta kannte Mutter. Allein das war ein gutes Gefühl.
    Â 
    Am letzten Tag dieser Woche erschien eine andere ältere Dame mit Brille und Haarkranz in Begleitung eines Herrn in der Wohnung. Beide sprachen nur wenige Worte Deutsch. Jutta, Hannelore und ich verstanden, dass sie Juffrouw Frank war, die Direktorin des Mädchen-Waisenhauses nebenan. 7 Der Herr war ein Arzt, der uns untersuchen sollte. Er hatte kalte Hände. Erst klopfte er uns auf den Rücken, dann mussten wir den Mund weit aufmachen und laut »aah« sagen. Zuletzt nickte er und meinte: »Alles prima!«
    Am folgenden Tag durften wir aus der Wohnung ins richtige Mädchen-Waisenhaus umziehen. Nachdem uns die junge Frau, die Deutsch konnte, hingebracht hatte, standen Hannelore, Jutta und ich mitten in der dezent farbig getäfelten Eingangshalle - und nichts geschah. An der Wand gegenüber stand eine schwere, altertümliche Bank, aber wir wagten nicht, uns zu setzen. Wir standen da, drehten uns langsam im Kreis, sahen hinauf
zu einem Glasdach mit einem schönen bunten Mosaik und wieder hinunter auf den kalten Steinfußboden. An der schmaleren Wand der Halle hing eine große, runde Uhr. Ihre schwarzen Metallzeiger wanderten langsam weiter, aber niemand kam und wir trauten uns nicht, einfach eine der Treppen nach oben zu gehen oder laut zu rufen.
    Irgendwann setzten sich Jutta und Hannelore auf den Boden, weil ihnen die Füße weh taten. So warteten wir eine halbe Ewigkeit. Kein Kind war zu hören, kein Erwachsener zu sehen. Nur irgendwo oben öffnete und schloss sich ein paar Mal eine Tür und waren Schritte zu hören.
    Endlich wurde die schwere Eingangstür aufgestemmt und eine größere Gruppe von Mädchen, alle eigenartig schwarz und altmodisch gekleidet, strömte schwatzend herein. Als sie uns bemerkten, wurden einige still und starrten uns an. Ein Mädchen sagte etwas zu uns, aber wir verstanden ihre Worte nicht. Dann lachten die meisten und gingen in verschiedene Richtungen im Haus auseinander.
    Schon wieder fing Hannelore an zu

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