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Zu keinem ein Wort

Titel: Zu keinem ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz van Dijk
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Mosche Frank, 6 ein Verwandter von Anne, die nach dem Krieg durch ihr Tagebuch weltberühmt werden sollte und schon lange vor Mosche mit ihren Eltern und ihrer Schwester aus Frankfurt nach Holland gegangen war. Vielleicht hatten sie sich für ihn eingesetzt? Dann folgten ein paar Namen von Kindern, die erst kürzlich aufgenommen worden waren und die ich deshalb nicht so gut kannte. Und plötzlich stieß mich Edith an und gleichzeitig hörte ich Onkel Isidors monotone Stimme sagen: »... Cilly Levitus, Jutta Levitus, Kurt Mayer, Lotte Mayer...« Das waren wir!
    Ediths Name wurde nicht vorgelesen. Ich hatte auf einmal Tränen in den Augen und flüsterte ihr zu: »Ich will nicht weg von euch! Ich will auch nach Palästina...« Dann schaute ich zu Jutta und Mutter, die beide erleichtert lächelten. Mutter war wohl froh, dass es ihr gelungen war, wenigstens zwei ihrer Kinder schon mal in Sicherheit zu bringen. Jutta fand es einfach aufregend, auf eine große Reise zu gehen - außerdem waren ihre beste Freundin und ich ja dabei!
    Als Tante Ella mein trauriges Gesicht sah, meinte sie: »Cilly, wenn du gar nicht willst, können wir auch Hanna fragen.«
    Aber da rief ich sofort: »Nein, ich kann doch Jutta nicht im Stich lassen! Nein, wenn Jutta gehen soll, dann gehe ich mit ihr.« Dann wischte ich mir die Tränen von
der Wange und putzte mir die Nase. Auch Edith tröstete mich und meinte: »Später treffen wir uns doch alle in Palästina. Dann kommst du einfach mit Jutta nach.« Und ein gewisser Trost war immerhin, dass Lotte und ihr Bruder Kurt auch dabei waren. Lotte gehörte ebenfalls zu meinen Freundinnen und ihren Bruder, den wir Kurti nannten, bewunderte ich grenzenlos, auch wenn ich mich bisher nicht getraut hatte, ihn mal anzusprechen. Edith hatte mal gemeint, dass ich in Kurti verknallt sei, aber das war bestimmt übertrieben. Außerdem wusste ich gar nicht genau, was das ist.
    Â 
    An den folgenden Tagen mussten noch hundert Dinge vorbereitet werden. Mutter war einerseits erleichtert, dass Jutta und ich bald ins sichere Holland gehen könnten. Andererseits machte sie sich große Sorgen, wo wir genau landen würden, denn das hatte in dem Schreiben der holländischen Königin offensichtlich nicht gestanden. Da Holland als wohlhabender galt als das arme Palästina, durften wir jeder wirklich nur einen Satz saubere Kleidung mitnehmen, mehr nicht. Alles andere wurde zur Sicherheit für die späteren Kindertransporte aufbewahrt. Mutter legte in jedes Kleidungsstück von mir und Jutta einen kleinen Zettel mit der handgeschriebenen Anschrift einer älteren Freundin von ihr in Amsterdam: »Meta Javitz, Keizersgracht...« stand darauf.
    Â»Tante Meta ist eine geborene Oppenheimer und hat vor Jahren nach Amsterdam geheiratet. Die erinnert sich bestimmt noch an mich. Meldet euch bei ihr, wenn ihr in Amsterdam seid, und bestellt ihr Grüße von mir. Sie hilft euch bestimmt«, sagte Mutter.

    Â»Ja, Mama!«, antwortete ich leise.
    Mutter wollte nur unser Bestes, keine Frage. Immer hatte sie seit dem Tod unseres Vaters gut für uns gesorgt. Was sie niemals konnte, war, auch zärtlich zu uns zu sein. Wie gut hätte es mir getan, wenn sie mich jetzt einmal in den Arm genommen hätte und ich einfach nur hätte weinen können. Wenn sie mich festgehalten und vielleicht sogar gestreichelt hätte. Aber das war unvorstellbar. So war sie eben nicht.
    Â»Hast du gehört, was ich gesagt habe?«, fragte sie nach und drückte mir auch Juttas Kleider in die Hand, damit ich sie in unseren gemeinsamen Koffer packen sollte. Ich nickte nur und legte alles ordentlich übereinander.
    Â 
    Die Abreise vom Frankfurter Hauptbahnhof mit dem Zug nach Holland wurde für uns auf den 22. November festgesetzt. Am Abend davor schenkte ich Mutter die kleine Silberkette mit dem Anhänger aus Jerusalem, die ich vor langer Zeit von Tante Ella bekommen hatte.
    Â»Aber die Kette hast du doch selbst geschenkt bekommen, Cilly«, widersprach Mutter. »Du musst sie behalten.«
    Doch ich bestand darauf: »Tante Ella hat gesagt, dass die Kette Glück bringt. Bitte Mama, sie ist für dich! Wenn wir uns wieder sehen, kannst du sie mir zurückgeben.« Ich wollte einfach etwas Besonderes bei ihr lassen, damit sie auch wirklich immer an Jutta und mich denken würde. Ich war bereit, auf die Kette für immer zu verzichten, falls wir uns

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