Zu nah am Feuer: Roman (German Edition)
geschrieben werden, und jetzt aß er mit Cindy zu Abend und nickte, während sie davon redete, was sie tagsüber erlebt hatte, und er sich nur mühsam auf dem Stuhl hielt und fürchtete, im nächsten Augenblick einzuschlafen und mit dem Kopf auf den Teller zu sinken.
Tatsache war, dass er zu Hause bleiben, vielleicht grillen und sich definitiv ausruhen wollte. Aber Cindy hatte den freien Abend sofort für ihre Zwecke genutzt, und darum saßen sie jetzt in diesem teuren Steakhouse, während der Kellner um sie herumscharwenzelte und Joe einen nahenden Kopfschmerz spürte.
»Es ist eine tolle Gegend, um Kinder großzuziehen«, sagte Cindy, während er sein Steak schnitt und ihr aus Versehen nicht zuhörte. Wenn ich früh ins Bett komme, dachte er, wache ich erholt auf und kann weiter an meinen Berichten schreiben. Ja, so würde er das machen. Er würde …
»Joe? Hörst du mir überhaupt zu?«
Er wollte es ja – wenn sie doch nur eine Sekunde den Mund hielte. Bei dem Gedanken kam er sich vor wie ein Arsch. Sie konnte ja nichts dafür, dass er hundemüde war. »Entschuldige bitte.« Er versuchte, sich wieder auf das einseitige Gespräch zu konzentrieren, aber als er Cindy ansah, drängten sich wieder Gedanken an die Arbeit dazwischen.
Die Stadtverwaltung setzte ihn bei der Inspektion eines großen Bürogebäudes unter Druck, doch die Bauausführung hatte nicht mit den Plänen übereingestimmt. Jetzt hatte er mehrere Beamte der Stadt am Hals, weil er die Bauarbeiten angeblich behinderte. Außerdem waren da mehrere Brände, die ihn beunruhigten, wobei das Feuer im Lagerhaus von »Creative Interiors« an oberster Position stand.
Die Feuerwehr hatte das Lagerhaus zwei Tage zuvor freigegeben. Bis auf das Benzin und den Fußabdruck hatte man keine weiteren Beweismittel gefunden – außer einer halb gerauchten Zigarette. Es gab zwar noch keinen offiziellen Abschlussbericht über die Brandursache, doch zwischen dem MAST, der Feuerwehrabteilung, die bei mutmaßlicher Brandstiftung ermittelte, und dem Versicherungsunternehmen herrschte Konsens darüber, dass das Feuer wahrscheinlich zufällig ausgebrochen war …
»Schatz, bitte. Du tust ja nicht mal so, als ob du mir zuhörst.«
Joe, der sich ertappt fühlte, blickte sie kurz an. »Entschuldige«, sagte er nochmals, aß einen Bissen Baked Potato und ermahnte sich, Cindy endlich zuzuhören. »Bitte. Könntest du das noch mal sagen?«
Sie drückte ihm die Hand. »Wenn du dich weiter so benimmst, komme ich noch auf den Gedanken, dass ich dich langweile.«
»Ich bin nur müde.«
»Das meine ich ja. Mein Stadthaus in La Jolla ist grö ßer als deine Wohnung, was doch ganz natürlich ist – du wohnst ja auf einem Segelboot in einem Yachthafen in der Marina Bay.«
Oh, oh.
Sie lächelte ihn kurz an. »Und ich habe jede Menge freien Raum in meinem Kleiderschrank für dich.«
Joe trank ein ganzes Glas Wasser und dachte: Bitte , alles, nur das nicht .
Cindy erwies sich jedoch als miserable Gedankenleserin. »Ich verstehe ja, dass es schön sein muss, auf dem Wasser zu wohnen, aber das Boot ist einfach nicht groß genug für uns beide …«
»Cindy …«
»Und ich muss auch zugeben, dass ich insgeheim von einem Haus am Stadtrand träume. Nichts Großes, aber mit einem hübschen Garten für die Kinder.« Sie lachte perlend, als er sie ungläubig ansah. »Und einem weißen Holzzaun. Das Haus muss einen weißen Holzzaun haben.«
Fast wäre ihm der Bissen Steak im Halse steckengeblieben.
»Sicher, es klingt albern«, sagte Cindy. »Aber weißt du, ich bin in Manhattan aufgewachsen, in einer Wohnung im dritten Stock. Kein Garten, kein Ort, den ich mein Eigen nennen konnte. Mein Traumhaus sieht anders aus.«
Joe war in einem so genannten Traumhaus großgeworden, aber er hatte dort nichts als Albträume durchlebt. Ein weißer Holzzaun stand auf seiner Niemals -Liste.
»Unsere Kinder würden es dort super finden.«
Kinder. Fast hätte er sich verschluckt. Er hatte nicht die geringste Ahnung von Kindererziehung, aber wenn er an seinen Vater und dessen Gene dachte, war das vielleicht auch ganz gut so.
»Joe. Du siehst ganz blass aus. Als hättest du ein Gespenst gesehen.«
Ja, das Gespenst der Zukunft. »Cindy«, sagte er noch einmal, sanft jetzt, weil er ihr gleich wehtun würde – was er keinesfalls beabsichtigt hatte.
Ihr Lächeln erstarb. »Willst du nicht mit mir zusammenziehen?«
»Wir sind erst seit etwas über einem Monat zusammen …«
»Seit zwei Monaten. Zwei
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